Raritäten-Kost, das klingt nicht nur mundwässernd. Mit dem Zwei-Jahres-Intervall, das die STK-Winzer nach Wien führt, gibt es auch immer Neues von den 12 Betrieben zu berichten. Und natürlich zu verkosten. Denn der Reiz dieser Präsentation liegt im Vergleich der Grossen Lagen im Laufe der Zeit. Der Momentaufnahme der großteils frisch gefüllten 2021er folgte so eine Auswahl von drei reiferen Jahrgängen jedes Winzers. Durch das Erzeugerprotokoll für eine STK-Große Lage spricht natürlich alles für den gereiften Weißwein. Zur Erinnerung: 15 Jahre müssen die Rebstöcke mindestens alt sein und der Ertrag ist begrenzt (max. 4.500 Liter/Hektar), zudem hat man sich auf verpflichtende Reife von 18 Monaten geeinigt.
Und doch konnten sich bei den 12 Ständen einige Flaschen der aktuellen Produktion besser in Szene setzen. Ihnen haben wir die Trinkprotokolle aus dem Haus der Ingenieure gewidmet. Denn sie sind großteils auch noch leichter erhältlich, sollte sich jemand in eine Beschreibung „verlieben“.
So gab es den nunmehr gänzlich von Erich und Christoph Polz verantworteten Jahrgang 2021 des Sauvignon Blanc Hochgrassnitzberg zu verkosten. „Fresh released“, nennt ihn der smarte Südsteirer Erich Polz, während er den im großen Holz geschulten Wein einschenkt. Die Frucht der Jugend sorgt hier für eine Wucht an Eindrücken, doch die Art des Obstes überrascht. Nicht Stachelbeere oder Passionsfrucht, die man als „SB“-Signatur kennt, erreichen die Nase, sondern Mandarine und Grapefruit, absurderweise aber auch rote Beeren. Auch beim mehrmaligen Riechen bleibt der fast unwirkliche Eindruck von Himbeere und Erdbeeren erhalten. Breit und weich legt sich dieser interessante Schluck nur anfangs auf den Gaumen. Die Erdbeeren sind immer noch da, aber auch das Zitrus-Element („Amalfi-Zitrone“, nennt man es am Weingut). Es legt an Frische zu, die noch durch die Würzigkeit und gerade merklichen Gerbstoff unterstützt wird. Kurz gesagt: Alle Anlagen für eine große Zukunft sind bereit. Wo die Reise hingehen sollte, wenn man an ideale Welten glaubt, zeigt der 2013er, der bei den reifen Polz-Weinen gezeigt wurde. Er stammte von der Riede Obegg und ist ein Musterbeispiel an Balance – lang vergriffen und doch verführerisch mit Ananas, etwas Karamellguss und immer noch merklichem Kräuter-Sträußerl.
In 28 Lesetagen, verteilt über sechs Wochen, konnten wir jeden Weingarten bei idealen Bedingungen ernten.
Katharina Lacker-Tinnacher über den Jahrgang 2019
Schwarzer Sesam, Grapefruit-Schale, ein Hauch Ananas und Kapernbeeren spannen den Bogen, vor dem der flirrende Rauch-Geruch vom Boden in Sankt Nikolai bei Kitzeck erzählt. Dieser Duft gehört zum 2021er Morillon „Ried Flamberg“ von Lackner-Tinnacher. Der herrlich frische Ausdruck dieser Gegend wird von einem Quäntchen Hefe begleitet, das die Kraft der Säure angenehm abfedert. So ergibt sich ein saftiger Eindruck am Gaumen, der das zarte Bitterl pinker Grapefruits ebenso erkennen lässt wie Himbeeren. Frucht und Säure sind beide so ausgeprägt, dass sie einen gerne gehörten Satz über Chardonnay Lügen strafen. Er sei internationaler Mainstream und beliebig. Wer der ABC-Fraktion („anything but Chardonnay“) angehört, sollte sich diese „Flamberg“ einverleiben. Er ist klar nicht-burgundisch oder Holz-betont und ebenso deutlich ist er ein großartiger Sortenvertreter.
Das darf man auch über den zweiten 2021er sagen, den Katharina Lackner-Tinnacher präsentierte. Man denkt beim Sauvignon Blanc „Welles“ an Fruchmolke, wenn der Mango-Duft mit feiner Säure in die Nase steigt. Orangensaft, Kamille und Papiernuss sind weitere Eindrücke, die bereits die Bandbreite dieses „SB“ zeigen. Die sortentypische Pikanz wurde hier fast vor die Frucht gestellt, was sich in einer druckvoll-pfeffrigen Eindruck äußert. Der „Welles“ (kl. Bild) ist für die Winzerin selbst „einer für die lange Strecke“. Es sind alle Zutaten vorhanden: Druckvolle Säure, tiefe Würze und ein erstes Equilibrium. Doch diese Nuancen werden noch enger zusammenwachsen. Das ist nahezu gewiss.
Alterslos und groß: Jg. 1997 trifft auf 1995 (in Rot!)
Mit einem 1997er Morillon hatte Armin Tement den zweitältesten Wein der Raritäten-Liste am Start. Die „Ried Zieregg“ stellte eine einzige Werbung für die Schönheit reifer Chardonnays dar. Keinerlei Firn verriet hier das Alter, auch am Gaumen war die Säure immer noch nahezu rassig. Der aktuelle Vertreter aus Ehrenhausen stellte hingegen die „Neuvermessung“ der Haus-Riede Zieregg vor, die beim Sauvignon blanc für drei Weine sorgt. Doch uns gefiel der dunkle und rauchige Morillon diesmal besser. Vor allem der Passionsfrucht-Duft des nun als „Zieregg Steilriegel“ gefüllten Weins war betörend. Im piéce (228 Liter-Fass) nach burgundischem Vorbild ausgebaut, wirkt das Holz nur wie ein Gewürz, die fein mineralische Art des Weißen vom Korallenkalk-Boden kommt daher gut durch. Kumquat, Kaffirlimetten-Blatt und viel Frucht, alles in rötlich-säuriger Ausprägung (Papaya, Hagebutte), machen den Beginn. Dahinter wartet dann die mineralische Verbrämung, die diesem Tement-Wein ein pikantes Finish mit Salzkristall-Nachhall beschert. Hier ist bereits alles da für ein burgundisches Spiel auf steirischem Boden – große Vorfreude!
Eine Ausnahme im Aufgebot der Sauvignons und Morillons stellte wie immer das Duo dar, das Christoph Winkler-Hermaden (am kl. Photo links) ausschenkte. Außer Konkurrenz gab es dort den besten Wein der ganzen Probe – und es war ein roter! Kenner werden sofort „Olivin“ sagen. Stimmt! Doch in der Tat war der 1995 (!) gelesene Wein mit einer Frische versehen, als hätte man ihn in Schloss Kapfenstein erst gestern gefüllt. Auch sein aktueller Jahrgang (2019) strahlte aber: Cocktail-Kirsche und Liebstöckel in der Nase, am Gaumen dann erneut ein Mix aus tiefgründiger Frucht, dunkler Schokolade und einer würzigen Geschmackskomponente, die am ehesten an Rinderconsommé erinnerte. Hier wird die Zeit zeigen, wie gut der „Olivin“-Jahrgang 2019 wirklich war. Vielleicht reden wir in 28 Jahren in Engelszungen darüber wie über den 1995er…
In Sachen Weißwein war es des Traminer „Ried Kirchleiten“, der die Qualitäten des Jahrgangs unterstrich. Man muss ihm aber Luft geben. Dann belohnt diese Spezialität von Winkler-Hermaden mit einem Duft nach Orangenkandis, Rosenseife und einem Gewürz-Mix von asiatischer Prägung; vor allem Galgant war zu erschnuppern. Im Mund zeigt sich der 2019er der „Großen STK-Lage“ saftig und rund, man denkt sofort an die Desserts beim Türken oder Griechen, bei denen wie bei Loukoumades Rosenblütenwasser im Spiel ist. Aber keine Angst! Zarte Bittertöne brechen zuviel Üppigkeit; in diesem Falle ist es ein Alzerl Rooibos. Aus diesem final wirkenden „Bitterl“ entwickelt sich aber die zweite Luft dieses Traminers. Denn im Rückaroma liefert dieser außergewöhnliche Wein noch einen Schwung an Kirschblüten, zart und frisch wie ein Sorbet, nach. Ein hedonistischer Schluck fürwahr!
Bezugsquellen:
Weingut Polz, Sauvignon Blanc „Ried Hochgrassnitzberg“ 2021 kostet EUR 42,50 ab Hof sowie im E-Shop, https://shop.weingutpolz.at
Weingut Lackner-Tinnacher, Morillon „Ried Flamberg“ 2020 ist um EUR 37,- erhältlich, der Sauvignon Blanc „Ried Welles“ 2021 um EUR 46, beide im Online-Shop, www.tinnacher.at/shop/
Familienweingut Tement, Morillon „Ried Zieregg Steilriegel“ 2020 ist um EUR 60 im Webshop der Winzer zu haben, www.tement.at
Weingut Winkler-Hermaden, Zweigelt „Olivin“ 2019 ist um EUR 21,-, der Traminer „Ried Kirchleiten“ 2019 um EUR 27,- erhältlich, beide ab Hof bzw. im Webshop des Schloss-Weinguts erhältlich, https://winkler-hermaden.at