Offiziell heißt es ja „Single Vineyard Summit“, was wir gerne als ÖTW-Verkostwoche bezeichnen. Und die jährlich noch wachsende Veranstaltung in Schloss Grafenegg wird diesem Namen auch gerecht. Die Wachauer Lagenweine haben wir schon mit unseren „Best Buys“ vorgestellt (hier zum Nachlesen), auch das „rote“ Carnuntum war eine eigene Hitliste wert, die hier steht. Und auch bei den Traditionsweingüter am Wagram und im Traisental erlaubten wir uns Empfehlungen (da wären sie). Doch zum Gipfeltreffen gehören auch die steirischen Winzer, die stets die Einzellagen und ihren Charakter in den Mittelpunkt rückten, seit es die STK-Winzer gibt. Auch hier war es eine Menge an Topweinen, die sich durch trinkprotokollarisches Höchstlob auszeichneten.
Natürlich sollte eine solche subjektive Liste mit einem Sauvignon Blanc, der wichtigsten steirischen Sorte, starten. Und in der Tat zeigte die aktuelle Füllung (=Jahrgang 2019) der ältesten Reben dieser Sorte erneut mit ihrer Sonderklasse auf. Christoph Neumeisters „Alte Reben“, die im Schnitt 60 Jahre alt sind, im Kern aber bis auf die 1930er Jahre zurückgehen, haben das Zeug, jeden „SB“-Zweifler zu bekehren. Das beginnt beim Duft, der ebenso röstig ausfällt, als auch tief in die Frucht-Kiste greift. Röstig heißt hier „Finncrisp“-röstig, das ist einmal ein echter Boden-Ton aus Straden, den so nur betagte Rebstöcke aufnehmen und wiedergeben. Dazu kommt die gänzlich anders geartete Maracuja, die in diesem Fall aber nichts Spitz-Säuriges an die Nase trägt, sondern schmelzig wie ein Passionsfruchtgelée wirkt.
Der Kostschluck erinnert dann frappant an Ananas mit „sexy“ braunen Stellen an den richtigen Ecken. Die feine Klinge bei der Säure ermöglicht dann ein nahezu explosives drittes Drittel der „Alten Reben“. Gelbe Früchte perlen wie ein Katarakt über die Zungenwurzel, final meldet sich wieder diese balancierte Süße-Säure der Passionsfrucht. Wie ein kurzes Anspannen des Bizeps unterm teuren Seidenhemd wirkt hier die dosierte Kraft. Einmal mehr ist dieser Neumeister-Wein „one of a kind“.
Mitunter steht nach dem konzentrierten Verkosten der 70 Weine auch eine simple Notiz im Kostbuch (in Laptops hämmern dürfen in der Stille des Schlosses gerne andere). „Geiles Gerät“ etwa, was mehr als Aufmerksamkeitsheischung zu sehen ist, um diesen Wein in der Liste der verkosteten Steirer auch ja zu finden. Es war die „Pössnitzberger Kapelle“, die südlichste Riede des Bundeslands und untrennbar mit dem Weingut Erwin Sabathi verbunden. Auch hier war es ein ungewöhnlicher Sauvignon Blanc, der betörte. Mit einem Duft nach Pfirsichcreme und Vanille-Plunder empfahl sich dieser Wein gleich einmal für das große Glas (und viele Jahre!).
Am Gaumen darf dann die Säure einen feinen Nerv zum Klingen bringen, der einen überraschend pikanten und kräutrigen Typus vom Opok (=Kalkmergel) begleitet. Dieser Powerfrucht in allen gelben Schattierungen setzt aber der Nachklang die Krone auf. Wie in einem „Morphing“ aus geschickten Programmierer-Händen gehen die Fruchtakkorde in würzige Paprika, Koriandergrün und – es war wirklich so! – auch Selleriegrün über. Das soll keine Unreife suggerieren, im Gegenteil, aber der 2010er Erwin Sabathis hat eine quasi eingebaute Würze – wie sie etwa der Selleriestängel auch in einer „Bloody Mary“ ergibt. Diese Kräuterfrische im Hall ist bemerkenswert. Und der Tiefgang samt salzigen Elementen und der stützenden Säure schenken der „Pössnitzberger Kapelle“ garantiert langes Leben.
Katharina Lackner-Tinnachers Parade-Riede „Welles“ kam nach 48 Monaten als Reserve aus dem Jahrgang 2017 ins Glas. Dieser Sauvignon Blanc erinnert uns immer an Grünen Pfeffer. Und er brachte das auch in Grafenegg mit; vorneweg war noch eine leicht rauchige Prägung zu erschnuppern. Doch dann setzte die Passionsfrucht mit einer säurigen Pikanz wie Kimchi ein – Würze ist hier immer eine Trademark. Cremig und mit fast schon laktischer Prägung legt der 2017er dann am Gaumen los. Etwas Molkekaramell würden die Vorarlberger hier sofort erkennen, doch der cremige Mittelteil ist bei Lackner-Tinnachers Wein nur eine Zwischenetappe. Dahinter kommt der Kräuterschnitt grün und frisch zur Erbauung des Trinkers durch. Um es kurz zu machen: Dieser bringt Sauvignon Blanc im Geschmack so ziemlich alles mit. Im Sinne von Füllhorn, nicht von Kraut und Rüben, wohlgemerkt! Diese Wartezeit war es allemal wert.
Und die Chardonnays? Pardon, natürlich Morillons, wir sind in der Steiermark! Aber was ist mit denen? Hier war neben der röstigen Variante vom Pössnitzberg – einem weiteren Sabathi-Wein – ein Wein von Christoph und Erich Polz herausstechend. „Ried Obegg“ 2020 strahlte förmlich vor Golden Delicious-Frische, etwas Quitte und Karamellbonbon ergänzte um intensive „Crema“. Aus diesem Widerstreit zwischen der Frische, repräsentiert von Yuzu-Zeste, und dem Ausbau im Holz mit seinen schmelzenden Schoko-Akkorden bezieht der „Obegg“ viel Spannung. Auch am Gaumen fällt die Ouverture cremig aus, diesmal hat sich aus dem Zitrushain eine saftige Orange eingemogelt. Doch die herben Einsprengsel des jugendlichen Tannins und einer ebenfalls frischen Säure geben dem Morillon Struktur mit. Das sorgt dafür, dass der 2020er vom Weingut Polz auch einer der bereits zugänglichsten Riedenweine darstellte.
Besonders freute uns beim Aufdecken, dass auch ein Weißburgunder es in die steirische Hitliste (kompiliert von DJ STK sozusagen) geschafft hat. Die so unterschätzte Sorte brachte Walter Frauwallner in Stellung und schon der erste Geruch zeigte die Meisterschaft im Sortenkern-Herausschälen: Nusscreme, wie frisch aus dem Bahlsen-Keks geschnappt, und erst dahinter Fruchtigkeit deuten auf Strukturiertheit hin. Weingummi und etwas Himbeere mutieren mit etwas Schwenken zu einer tropenfruchtigeren Duftnote, die an Papaya anklingt. Am Gaumen zeigt der „Ried Buch“ 2020 dann auch ein säurigeres Element. Pink Grapefruit legt sich aber wie ein Schleier über eine im Grund rechte dunkle Aromatik, die im Ausklang dann auch noch ein Alzerl Gerbstoff hervorkehrt. Tatsächlich gefällt schon die frühe Form von Frauwallners Wein sehr gut!
Nicht vergessen sollte man die Rieslinge, auch wenn sie viele nicht mit der Steiermark verbinden. Schade! Denn was Gerhard Wohlmuth mit der Sorte im Sausal füllt, gehört zum Spannendsten, weil komplett eigenständig mit der leicht schieferigen Grundierung. Aus der Riede Steinriegl, die sich hier in Kitzeck auf 470 Meter Seehöhe erhebt, kommt ein Jahrgang 2019, der nach Babyspeck-Schaumzuckerware riecht, so intensiv ist die süße Riesling-Frucht hier präsent. Das andere Gesicht aber ist der ausgeprägte Rauch, den auch Laien wahrnehmen. Es ist heller „Smoke“, der an Türkischen Honig anklingt, denn auch Nuss schwingt hier mit. Mandarinenschale und ein Quäntchen getrocknete Marille ergänzen den Südsteirer.
Safran ist selten in Kostnotizen zu finden, hier schlägt er aber die Brücke vom Duft zum Geschmack. Denn der „Strohbart“, wie diese Füllung aus dem Jahrgang 2019 heißt, bring neben dem säurig-saftigen Kern aus Steinobst (diesmal Weingartenpfirsich) auch cremige und würzige Anteile mit. Papiernuss wäre zu nennen, Safran aber auch. Und vor allem zelebriert das Finale dieses langlebigen Rieslings erneut den Schiefer-Rauch des Sausals. Im Zweifel eine Magnum davon ordern, würden wir sagen. Denn diese Weine Wohlmuths reifen wunderbar.
Bezugsquelle:
Weingut Neumeister, Sauvignon Blanc „Alte Reben“ 2019 kostet EUR 84,10 beim Weinhandelshaus Döllerer, https://shop.doellerer.at
Erwin Sabathi, Sauvignon Blanc „Ried Pössnitzberger Kapelle“ 2019 ist um EUR 96,40 bei Versandhandel Weingrube zu beziehen, www.weingrube.com
Lackner-Tinnacher, Sauvignon Blanc „Ried Welles“ Reserve 2017 kostet EUR 76 ab Hof bzw. im Webshop des Weinguts, www.tinnacher.at
Weingut Polz, Morillon „Ried Obegg“ 2020 kostet EUR 48,50 ab Hof bzw. im Webshop des Winzers, https://shop.weingutpolz.at
Weingut Frauwallner, Weißburgunder „Ried Buch“ 2020 ist um EUR 33,50 z. B. bei Weinshop24 zu erwerben, www.weinshop24.at
Weingut Wohlmuth, Riesling „Ried Steinriegl „Strohbart““ 2019 kostet EUR 23 ab Hof bzw. im Onlineshop des Weinguts, www.wohlmuth.at