Der Wind pfeift uns ein wenig Regen um die Nase am alten Sitz des Clan McLeod. Die Stein-Ruine von Caisteal Chamuis wurde geplündert, um daraus eine Farm zu errichten. 1820 dachte aber keiner ans Destillieren. 200 Jahre später sieht Torabhaig aber aus, als wäre man schon immer an der Meeresbucht im Süden der Insel Skye gestanden. Dabei geht das Investment keine zehn Jahre zurück: 2014 startete die Marussia Beverages des schwedischen Milliardärs Frederik Paulsen mit dem Umbau. „Drei Jahre werkte allein der Steinmetz“, erinnert sich Stewart Dick, mit dem wir die Runde über das Destilleriegelände ziehen.
Am „Hügel des Thor“, wie eine Übersetzung des Ortsnamens an der Knock Bay lautet, steht nunmehr eine frisch gestrichene Whiskybrennerei, deren Pagodendach eine ungewöhnliche Konstellation der Brennblasen krönt. Sie sind einander zugewandt, was der Enge des Raums geschuldet ist. Denn die Dachkonstruktion des denkmalgeschützten Hauses durfte nicht angetastet werden. So finden sich die acht „washbacks“ auf einer Ebene mit den Brennblasen, was die Produktionsabläufe bestens nachvollziehbar macht. Das eigentliche Geheimnis liegt aber ohnehin anderswo: in einer langen Vergärung, die viele fruchtige Komponenten entstehen lässt.
Das zeigt sich vor Ort in einem überaus ungewöhnlichen „new make“, also dem ungelagerten Destillat. An sich in der Regel eher scharf und würzig, zeigen sich hier deutlich fruchtigere Töne und eine feine Malzssüße. Vor allem aber eine ausgeprägte Note nach getrockneten Tomaten, die mit der Kraft des „new make“ an eine Michelada, das mexikanische Kater-Getränk, erinnert. Doch so fein das auch duftet, es darf ja noch nicht Whisky heißen und muss ab ins Fass zum Reifen.
Torabhaigs „Allt Gleann“ ist dann die aktuelle Abfüllung, die ins Kostglas kommt. Und sie birgt eine erstaunliche Metamorphose, über die Whisky-Freunde gerne mehr erfahren. Denn der Phenolgehalt des Torfmalzes wird meist hinterfragt, tatsächlich geht es aber um seinen Erhalt im finalen Destillat. Mit seinen stattlichen 77 ppm (=parts per million) wäre der Single Malt aus Skye kräftiger als die Islay-Torfbomben wie Ardbeg oder Laphroaig.
Aber erstens stammt der Torf für das Malz der Newcomer aus Aberdeenshire und nicht von der Insel – und hat somit andere Zusammensetzung. Vor allem aber „verkosten wir ja nicht Malz, sondern Whisky“, wie Stewart Dick anmerkt. Und da bleiben gerade 17 ppm übrig. Dafür hat dieses Destillat einen hohen Anteil an Guiacolen.
Man muss diese Stoffgruppe nicht kennen, die bei der Destillation entsteht, es reicht zu wissen, dass sie nach Johannisbeere riecht. Und deren Duft findet man auch im Single Malt wieder. Zarte Schärfe und Schoko-Töne wiederum erinnern einen an die mexikanische Sauce „Mole Poblano“ – der Rauchton ist eher als Räucherpaprika präsent denn als Lagerfeuer oder gar Speckrauch. Soft beginnt der neue Whisky aus Skye am Gaumen; feine Würzenoten erinnern an Heublumen. Wie alle Abfüllungen bei Torabhaig geht auch dieser „dram“ nicht unter 46% vol. Und das merkt man vor allem im Schlussdrittel. Hier entwickelt sich aus einer Note von weißem Pfeffer ein nahezu explosives Finish. Der Rauch ist plötzlich da und trifft auf die schokoladige Malznote des „Allt Gleann“, der seine trockene Würzigkeit aus erstbefüllten US-Eichenfässern und Ex-Bourbon Casks erhielt. Es ist eine erstaunlich komplexe Art, mit der sich ein zu größten Teilen vier Jahre alter Whisky hier im Glas präsentiert. Aber auch einer, mit dem man Novizen an das Konzept „Rauchmalz“ heranführen kann.
„Well tempered smoke“ nennt man das bei Torabhaig, wo neben den hier destillierten Whiskys auch Abfüllungen des Schwester-Unternehmens Mossburn verkostet werden. Der „Speyside“ verbindet als Blended Malt nicht näher genannte Destillate aus dieser Whiskyregion und duftet nach Vanille und Birne. Mit etwas Luft wird auch ein Anflug von Pfirsich spürbar. Der Antrunk ist dann überraschend würzig, doch schnell sorgt auch Ananas für saftige Eindrücke, die einen sehr malzigen Kerngeschmack begleiten. „Pumpernickel“ könnte man sagen, doch erneut gesellen sich Fruchtnoten dazu, besonders Erdbeere ist kurz zu schmecken. Sie wird aber von einem leichten „spike“ des Alkohols (auch hier: 46% vol.) begleitet. Final erstehen vorm geistigen Auge dann Schokokuchen und ein rotfruchtiger Beeren-Spiegel als dessen Unterlage.
Die anfänglich so präsente Vanille hat übrigens eine nachvollziehbare Herkunft. Sie stammt aus stark getoastetem Weißweichenholz, das Deckel und Boden der Fässer des „Speyside“ bildete. Diese besondere Reifemethode zeichnet die „Mossburn“-Füllungen ab, denn Fassdauben und die Deckel oder „ends“, wie es die Schotten nennen, werden aus unterschiedlichen Hölzern gefertigt. Diese „hybrid casks“ kommen aus der Speyside Cooperage und können etwa stark getoastete europäische Eiche auf einen hölzernen „Körper“ aus erstbefüllten Bourbon-Fässern montieren. Diese Konfiguration zeichnet die Gebinde aus, in denen der „Island“ gereift ist, der zweite Blended Malt. Seine Bestandteile sind zum einen Highland Park, zum anderen ein Malt aus Islay. Pikant beginnt auch dieser „dram“ im Duftbild, das von Adobe Chili und gelben Früchten – von Marille bis Ananas ist einiges zu erschnuppern – geformt wird.
Überaus saftig im Mundgefühl, kommt hier eine fast selchige Rauchigkeit zum Tragen. Man denkt kurz an Pfefferwurst bei diesem Geschmack, der auch wieder eine klar erkennbare, aber nicht unangenehme, Kante vom Alkohol mitbringt. Der Ausklang hingegen rollt einen Teppich aus Schokolade aus, der zarte Bittertöne als Kontrapunkt zur extremen rauchwürzigen Ausprägung einsetzt. Lang und mit einer Fülle an Piment und Nelken ist das Finale, das so auch den Kreis der Würze schließt, den die Nase des „Island“ eröffnet hat. Definitiv noch ein Geheimtipp, aber bei dieser Qualität werden es weder die Abfüllungen (Mossburn), noch die eigenen Single Malts (Torabhaig) lange bleiben!
Bezugsquellen:
Torabhaig, The Legacy Series „Allt Gleann“ kostet EUR 64,90 (0,7 Liter-Flasche) beim Versandhandel Trinklusiv, https://trinklusiv.at/
Mossburn, Blended Malt Whisky „Speyside“ kostet wie der „Island“ auch EUR 39,90, beide bei Trinklusiv, https://trinklusiv.at/