Der Kostalltag nimmt wieder Fahrt auf. Gut so, denn so konnte auch die große Jahrgangspräsentation der Trockenbeerenauslesen (TBA) im Weingut Kracher ganz regulär stattfinden. Umrahmt von Gourmandisen und „friends“ wie New Yorks Starsommelier Aldo Sohm, standen diesmal die neun TBA des Jahrgangs 2018 im Fokus. Für Kenner waren das weniger als in Spitzenjahren, „Muskat ist ausgefallen und der wenige Chardonnay ging sich nur für die Grande Cuvee aus“, so der Illmitzer Winzer.
Somit gab es vom Welschriesling gleich drei Versionen – in Krachers nach Zucker aufsteigender Zählung sind es No. 2, No. 8 und No. 9. Nimmt man die besagte Cuvee als süßes Flaggschiff dazu, findet sich der „Welsch“ gleich in vier TBA des Jahrgangs 2018. Die Scheurebe, ein sentimentaler Favorit unter Krachers Weinen, stellt mit No. 3 und No. 7 immerhin zwei Abfüllungen. Und die mit 10% Alk. versehene No. 3 zeigt gleich einmal, wohin die Reise in diesem Jahr geht:
Die erste Nase erinnert mit ihrem herb-süßen Eindruck an Orangenmarmelade, insgesamt ist diese TBA expressiv wie nur! Auch Lychee und Pfirsich gesellen sich nämlich zu den kandierten Zitrusfrüchten. Auch das viskose Mundgefühl der 188,8 Gramm Restzucker süßen 2018er Füllung bringt wieder viel Steinobst mit. Zwischen Nektarine und Marille mögen sich die Pomologen streiten, sicher ist nur die Saftigkeit dieser Frucht-Seite der Scheurebe. Im Finale kommen dann pikante Einsprengsel in diesen dichten Fruchtgeschmack dazu. Gemeinsam mit ultrafeinem Gerbstoff sorgen sie für eine Strukturgebung, die der TBA No. 3 des Jahrgangs ein beachtliches Trinkanimo verleiht.
Die leichteste Welschriesling-TBA trägt die Nummer 2 und hat 173,4 Gramm Restzucker aufzuweisen. Der pikant-tabakige Duft zeigt hier einen aromatischen Einschlag und eine Präzision, die gleich einmal neugierig macht. Weisser Penja-Pfeffer und getrocknete Birne legen einmal eine erste Fährte, die weder süß, noch übermäßig fruchtig ausfällt. Selbst mit ein wenig Standzeit, wenn sich die Marille deutlicher bemerkbar macht, mengt sich klar ein kräutriger Ausdruck dazwischen. Er schwingt irgendwo zwischen Koriander und Melisse hin und her. Das will man kosten. Und das tun wir auch!
Am Gaumen wird die Steinfrucht präsenter, der deutliche Säurebiss begleitet die gelbfruchtig-satte Melange. Doch die No. 2 hat noch mehr zu bieten – final kommt geschmorte Gelbe Paprika hinzu. Diese lebendige Pikanz im Abgang hat fast Chili-Qualität und regt den Speichelfluß an. Dieser Welschriesling hat gut gekühlt gar das Zeug zum Apèro, halten wir staunend im Kostraum fest.
Wir täuschen und nicht, denn die Pikanz schlägt auch in der Cuvée durch, die Gerhard Kracher alljährlich aus Chardonnay und Welschriesling erstellt und die für diesen Jahrgang leider längst vergriffen ist. Der Kostschluck in Illmitz aber zeigt, dass auch hier ein frischer, leicht scharfer Wind den Chardonnay antreibt. Es ist zwar eine andere Charge, so Kracher, die hier Verwendung findet. Doch 2018 kann man offenbar getrost als Jahr für lebhaften Süßwein der Sorte ansprechen.
Das nächste Glas aber füllt die No. 7, wie erwähnt die süßere Variante der Scheurebe (hier stehen 234,5 Gramm Restzucker zu Buche). Mit nur 8% vol. hat diese TBA einen klaren tropischen Aromeneinschlag; Mango in schon überreifer Intensität wird von Pfirsichduft begleitet, der geradezu aus dem Glas springt. Im direkten Vergleich rollt diese Essenz so über die Zunge, wie wir das schon in einigen Vorjahren formuliert haben – wie der Saft eines Pfirsichkompotts. Süße, Frucht und Gewürznoten sind verwoben und machen ordentlich Druck. Vor allem die Intensität dieses Fruchtkatarakts wird nur von einem zarten, aber gerade merklichen Gerbstoff gebremst. Er hat die geschmackliche Form einer Orangenzeste angenommen und stützt das Gebälk aus saftigster Gelbfrucht im Alleingang gut ab. Fazit: Wer Säure und Frische im Prädikatsbereich liebt, halte sich an den „Welsch“ aus Krachers 2018er Kollektion. Für Freunde der Powerfrucht führt der Weg zur No. 7 alias Scheurebe.
Bezugsquelle:
Weinlaubenhof Kracher, TBA No. 2 Welschriesling 2018 kostet EUR 40,01 (0,35 Liter-Flasche), die TBA No. 3 Scheurebe 2018 ist um EUR 40,01 zu haben und die TBA No. 7 Scheurebe 2018 kostet EUR 47, alle im Webshop, https://shop.kracher.at/