„Es gibt heute keinen anderen Hersteller von Fassionola in Europa“, sagt Markus Altrichter und hat recht damit. Denn dazu müßte man einmal wissen, was „Fassionola“ überhaupt ist. Das beginnt schon mit der Kategorie-Bezeichnung. Denn als „Spirituose“ geht man mit unter 15% vol. nicht durch, ergo nennt man die rote Flüssigkeit meist einen „Mix“ – lediglich stärkere wären als „Likör“ anzusprechen, da muss aber dann auch der Zucker passen. Historisch gehört die „Fassionola“ zu den Aromagebern der großen Tiki-Cocktail-Zeit wie etwa auch der unverzichtbare Mandelsirup (Orgeat) und der Rumlikör „Falernum“. Mit letzterem – in Topqualität und Handarbeit in Wien erzeugt – begann Oldjudge Spirits, das Unternehmen von Julia Kub und Markus Altrichter einst. Mittlerweile ist der Vorkämpfer der Tiki-Kultur (mit dem jährlichen Cocktailbewerb „Tiki Match“) vielseitig aktiv.
Irgendwann stößt man dann auch auf die „Fassionola“, die es zu Beginn der bunten Rumdrink-Ära in drei „Farben“ gab. Gehalten hat sich die rote, mit Hibiskus gefärbte Version, da sie vor allem der Gründer dieses Lifestyles in Bambus und Palmen, Don the Beachcomber (alias Ernest Raymond Beaumont Gantt) schätzte. Der heute noch bekannteste Cocktail damit, der „Hurricane“, stammt allerdings aus dem Pat O’Brien’s in New Orleans. Er verdankte sich einem Überschuss an Rum während der 1940er Jahre, als Whisky aus Übersee durch den U-Boot-Krieg Mangelware war. Und da kommt nun der Historiker durch: Denn es gibt zwar ein eigenes Glas für den „Hurricane“, doch kaum eines der späteren Rezepte listet auch die „Fassionola“ auf. Grenadine und Passionsfrucht-Püree ersetzen den komplexen Mix.
Über den man immerhin so viel weiß, dass offenbar Erdbeeren und Maracuja im Spiel waren. Denn die große Geheimhaltung der frühen Tiki-Meister führte dazu, dass Zutaten nur mit Nummer (Mix Nr. 5) verwendet wurden. Doch warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? Und so verschwand „Fassionola“ weitgehend aus dem Angebot. Mit Mühe findet man sie in Übersee, in Europa – siehe Markus‘ Eingangsstatement – praktisch gar nicht. Womit dank der Bar-Nerds für „Aloha Fassionola“ ein kleiner Markt da ist, den Oldjudge in gewohnt guter Manier bedient.
Der Duft des Neuzugangs ist einladend und verbindet Erdbeeren und Passionsfrucht in nicht mehr zu trennender Art. Allenfalls etwas Ananas ist im Hintergrund auch zu merken. Und wer oft Früchtetee trinkt, wird eventuell auch meinen, dass sich ganz hinten auch Hibiskus anstellt.
Ähnlich ist der Eindruck beim Pur-Verkosten (wofür der Mix eigentlich nicht gedacht war): Immer, wenn man den Eindruck hat, jetzt werden die Erdbeeren zu süß, grätscht die Säure der Maracuja dazwischen und bringt auch eine zarte Limetten-Frische mit. Satt und viskos ist das Mundgefühl und der Nachklang der Erdbeeren hält auch lange vor. Das kann man sich im Drink herrlich vorstellen! Und „Aloha Fassionola“ funktioniert vermutlich sogar mit Soda oder Grapefruit Limo g’spritzt, wenn es nicht das große Tiki-Besteck sein muss. Bei uns testeten wir aber quasi mit einem Baströckchen.
Auch wenn das Farbspiel mit Orangensaft beim „Hurricane“ sicher ein Teil des Erfolgs dieses oft (und schlecht) servierten Cocktails war: Wir probierten einen weiteren, weitaus unbekannteren, Drink von Ernest „Don the Beachcomber“ Gantt damit. Der „Cobra’s Fang“ hat erstens einen coolen Namen, der ihn in eine Reihe mit 1940er-Kreationen wie mit Shark’s Tooth und Nelson’s Blood stellt. Er verwendet aber vor allem neben Rum und Orangen- sowie Limettensaft zweitens das Produkt, mit dem bei Oldjudge alles begann, ebenfalls: „Aloha Fassionola“ trifft „Oldjudge Falernum“ – schöne Wiener Tiki-Welt!
Bezugsquelle:
Oldjudge Spirits, „Aloha Fassionola“ ist um EUR 22,90 (0,7 Liter-Flasche) bei Killis Getränke erhältlich, www.killis.at