Die Vorfreude auf den neuen Whisky, den Ichiro Akuto als Einzelfass-Abfüllung für Österreich freigab, war groß. Erstens sind die Single Malts der „Intergalactic Series” stets außergewöhnlich. Aromatisch sowieso, doch auch ungewöhnliche futuristische Etiketten zieren die weltweit (!) 200 Flaschen, die Maurice van Vliet exklusiv nach Europa bringen kann. Was dazu führt, dass die Flaschen seiner Vienna Distribution praktisch schon bei ihrer Ausgabe den vier-stelligen Preis verdoppeln – klassischer Sammler-Stoff eben. In diesem Fall, dem „Intergalactic No. 5”, hatten wir aber auch im Frühjahr 2021 die Ehre, aus fünf Mustern der Chichibu Distillery jenes zu wählen, das nun in die Flasche kam. Eine Ehre, aber auch eine Verantwortung! Weshalb wir das Glas besonders ausgiebig unter die Lupe nahmen, das im Japan-Gourmet-Paradies Unkai eingeschenkt wurde. Würde uns die Rarität noch so begeistern wie einst als Fassmuster?
Schon beim Riechen wird klar, dass wir (im Verein mit Bernhard Rems von Whiskyexperts und Erhard Ruthner von Raise your Spirits) mit dem Fass Nr. 4316 gut gewählt haben. Denn das erst-befüllte ehemalige Bourbon-Fass aus der Präfektur Saitama zeigt trotz der Stärke von 63,5% vol. überraschenderweise überhaupt keine Alkohol-Schärfe im Duft. Stattdessen kommt der fruchtige und intensive Brennstil Chichibus – ein Resultat besonders niedriger Potstill-Brennblasen – klar durch. Für diese Fass-Stärke riecht die „No. 5“ nahezu weich nach Nougatschoko und Früchten wie Netz-Melone, „Tarte Tatin“ und Kokosnuss-Waffel.
Am Gaumen ist die Fruchtigkeit fast noch ausgeprägter, auch wenn das alkoholische Kitzeln der „intergalaktischen“ Fassstärke sich dagegen stemmt. Doch wie ein tropischer „Fruit-Punch“ mengen sich Guave, Papaya und saftige Cavaillon-Melone. Erst im Endgeschmack dürfen einige rote Pfefferkörner ran. Das allein wäre schon viel Whisky, doch mit ein paar Tropfen Wasser im Glas erschließt sich eine weitere Frucht-Note: Pfirsich kommt deutlich durch und schließt so den Reigen, der mit dem „Tarte Tatin“-Duft des Japaners begonnen hatte.
Apropos „begonnen“: Ichiro Akuto stammt zwar aus einer alten Brenner-Familie, doch die der Hanyu-Brennerei seines Großvaters Isouji Akuto wurde verkauft, ehe er mit Chichibu durchstartete. 19 Generationen der Herstellung von Reisbranntwein, dann ab 1980 von Whisky, schienen damit zu enden. Doch die Fässer in den Lagern der aufgelassenen Brennerei sollten der Grundstock für Ichiros eigenes Whisky-Label werden. Während die alten Hanyu-Malts zu den gesuchtesten Japan-Whiskys zählen (5.000 Euro und weit darüber werden für die Fasche geboten), leben sie auch in einigen „Double Malts“ der neuen Marke Chichibu weiter. In dieser Form stehen diese Leckerbissen für Freunde des Japan Whiskys in weitaus größerer Menge – und zu kleineren Preisen! – zur Verfügung als die originalen Hanyu-Füllungen oder die schnell ausverkaufte „Intergalactic Series“. Einhellige Begeisterung im Wiener Tasting gab es etwas für „Ichiro’s Malt“, von dem zwei verschiedene Versionen auf den Tisch kamen.
Schwerer Stil des Enkels trifft Opas Whisky-Erbe
Beide stellen Blends aus Single Malts von zwei Destillerien dar. In Japan nennt man das „Pure Malt“, für ältere Whisky-Lover wie das Trinkprotokoll läuft derlei immer noch unter der mittlerweile aufgegebenen schottischen Bezeichnung „vatted Malt“. Sei es drum, das schnell schwindende Erbteil der Hanyu-Brennerei wird wie erwähnt mit Whisky aus Chichibus aktueller Destille verbunden. Gereift werden diese Abfüllungen dann entweder im Rotwein-Fass aus Frankreich („Wine Wood Finish“) oder in der berühmten Wassereiche Japans, Mizunara. Der „Mizunara Wood Finish“ zeigte leichte rauchige Noten wie eine Zigarren-Box, dazu schöne Fruchtnoten, vor allem die Papaya, die für uns ein Kennzeichen der Mizunara-Reifung darstellt. Klassischer Weise wird der quercus Mongolica als Fassholz Kokosnuss als Aroma unterstellt, doch die findet sich hier kaum. Der mit 46% vol. gefüllte „Ichiro’s Malt“ erinnert vielmehr auch an extrem reduzierte Karamellcreme, ja eigentlich an den „Daim“-Schokosnack.
Am Gaumen legt er recht süß und mit schokoladigen Noten los; die Gewürze Zimt und Gewürznelke sind ebenfalls zu schmecken. Komplex und sehr engmaschig ist dieser Japan-Whisky, der besagt schwere Stil des Destillats kommt wunderbar durch. Wie Edelschokolade kleidet er den Mundraum aus, man mag Trauben-Nuss-Schokolade, Mandelsplitter und auch wieder rote Frucht-Akkorde assoziieren. Der Nachklang zeigt die trocknenden Holz-Töne des älteren Blend-Anteils aus Hanyu, wird aber von einer feinen Orangenmarmeladen-Bitterkeit gemildert. Ein herrlich zugänglicher, nicht zu süßer, aber ebenso komplexer Japan-Whisky!
Den Einstieg in Ichiro’s Welt macht allerdings nach wie vor der „Malt and Grain“, der in die Rubrik World Blend fällt. Das ist ein Whisky, der aus den Getreidedestillaten verschiedenen Ländern komponiert wird. Zwar ist ein Anteil aus Japan dabei, doch der ist gegenüber den Anteilen aus Irland, den USA, Schottland und Kanada in der Minderheit. Es wurde ein Mix, der wie „Toblerone“ duftet – nach zarter Milchschokolade, gesalzenem Toffee und Mandelcreme. Dazu kommt als fruchtiger Akzent etwas Dörrmarille.
Zugänglichkeit ist hier das Motto, denn auch am Gaumen fällt der „spice“ äußerst mild (bei wohlgemerkt 46% vol.!) aus. Dafür kommen die Steinobst-Töne wieder gut durch, diesmal eher an Nektarine erinnernd. Auch Nashi-Birne und helles Getreide notierten wir als Geschmacksnoten. Etwas getrocknete Tomate bringt dezent ihre Würze ein, doch das Finale bestreitet dann wieder die aus dem Duft bekannte Mandelschokolade. Wenn es noch eines Bedarfs bedurfte, dass Akuto-san das Handwerk des Verschneidens von Whisky versteht: Der „Malt and Grain“ liefert ihn!
Bezugsquelle:
Chichibu, die letzten Flaschen „Intergalactic No. 5“ sind um EUR 2.500 zu haben, Ichiro‘s Malt „Mizunara Wood Reserve“ kostet EUR 199, der „Malt and Grain“ (Ichiro’s World Blend) ist um EUR 72,90 zu haben, beide im Spiritlovers-Webshop, www.spiritlovers.at