Die gute Nachricht für alle Freunde der kleinen, aber konsequenten Weinlinie Dr. Hans Bichlers, teilt uns Max Stiegl bei einem Glas Grauburgunder mit: „Es wird weitergehen“. Denn die vier Sorten, die wahlweise auch unter Gut Purbach firmierten, für Fans des Restaurants aber ohnehin immer der „Hauswein“ waren, wurden nun erstmals ohne den Mäzen und Visionär gefüllt. Der Wirtschaftsanwalt, der in der Oberliga des Vertragsrechts spielte, aber kaum in Erscheinung trat, verstarb letztes Jahr. Ohne ihn gäbe es weder das mustergültig restaurierte Haus in der burgenländischen Weingemeinde, noch ein Restaurant. Doch beharrlich, konnte der Mann, dem japanische Konzerne ihre Wiener Geschäfte zum Verhandeln auftrugen, sein. Das kam in jedem unserer Gespräche mit ihm durch. Immer stand dabei Wein in der Nähe, nicht immer sein eigener, für den er sich – absolut selbstverständlich – lokale Partner suchte.
Gerald Leberl und Thomas Schwarz, jeder für sich ein Könner, besorgten die Vinifizierung der Trauben von den 3,6 Hektar, die Dr. Bichler besaß. Und nicht selten waren es Rechtspraktikanten, die auch eine Einführung ins Etiketten-Kleben vom Juristen und Connaisseur bekamen. Den running gag des Anwalts über meine Tasche mit den Kostunterlagen wird nun leider niemand machen. Seine Liebe zu den Burgunder-Sorten wird aber weiter gepflegt. Drei der vier Bichler-Weine waren Pinots – Gris und Noir, dazu kam der Chardonnay. Und vor allem beim Blauburgunder zeigt sich das feine Händchen der beiden Winzer. Warum man das weiß? Weil es im Gut Purbach noch praktisch alle Jahrgänge gibt. Und einige davon kosteten wir „im memoriam“. Im mittelalterlichen Kloster-Jargon nannte man das wohl „Caritastrinken“, ein Ausdruck, damit trösten wir uns, der Hans Bichler (am Bild links) wohl amüsiert hätte.
Den Auftakt macht der Grauburgunder des aktuellen Jahrgangs 2019 – die leichte Maischegärung zeigt das naturnahe Vinifizieren Tom Schwarz‚ (vom Kloster am Spitz) an. Das große Wein-Glas passt hier also schon, denn dieser Wein sollte atmen. Dann aber zeigt er ordentlich das Potential dieser Sorte, die viel zu selten trocken und nicht zu alkoholisch ausgebaut wird im Burgenland. Die Nase meldet einen Duft nach Sesam-Stangerl, Grüner Banane, aber auch Blutorange und sanft gesalzenes Karamell-Popcorn haben hier Platz. Viel Wein und durchaus trinkanimierend! Im Mund wird er saftig wie ein Tropenfrucht-Cocktail, die Süße ist aber absolut dezent. Ein bisserl wie bei Zuckermais. Doch keine Angst, denn der feinkörnige Gerbstoff aus der Maische-Standzeit liefert dazu die Spannung. Ein Beispiel, wie man sich Maischegärung der „Orange Wines“ zu Nutze macht, ohne zu übertreiben. Ein altmodisch moderner Weißwein, könnte man sagen.
Den Gegenpart liefert der Chardonnay aus dem Jahr 2018, der schon im Geruch lebendig und vielfältig wie eine Blumenwiese wirkt. Das tummeln sich Gelbe Trauben, Birnenwürferl und viel Zitronenmelisse. Frisch und mit ganz fein hingetupftem Weißem Sesam legt er seine Rolle am Gaumen an. Die Jugend ist merkbar, daher sollte man hier auch nicht zu kalt trinken. Denn neben der kühlen Frucht (Ringlotte und Sternfrucht) hat er dann vor allem mit dem leicht pfeffrigen und durchaus würzigen Finish einiges zu bieten. Fein passen dazu übrigens die Stiegl-Grammelknödel, sei Fans seiner Gut Purbach-Küche gesagt!
….und Holler als „Supplement“: Blaufränkisch 2015
Der Blaufränkisch, den Hans Bichler als Mitglied der Leithaberg-Winzergruppe stets kultivierte, zeigt in der Vertikale die Langlebigkeit dieser mineralisch geprägten Weine auf. So ist es kein Zufall, dass uns hier der Jahrgang 2015 gefiel, der sich gerade öffnet und immer noch die Frische der Rebsorte mitbringt. Frech und fruchtig geht er das an! Man denkt unwillkürlich an die Kirsch-Lollis, die es früher im Freibad gab. Dazu trägt auch der Duft nach „Colaflascherl“ bei, der einen ebenfalls in die Kindheit „beamed“. Aber keine Angst, das ist seriöser „BF“, das zeigt die feine Kräuter-Unterlegung spätestens im Kostschluck. Die Finesse stellt eine Seite dieses zum Beißen dichten Rotweins dar. Die andere sorgt für Frucht-Süße und präsentes Tannin. Diese beiden Pole liefern sich ein wundervolles Match, das stets sortentypisch bleibt. Ein Quäntchen Holler gibt’s im herben Ausklang dann quasi als Supplement.
Wer einen noch blättrig-kühleren Typus Blaufränkisch schätzt, sollte den Jahrgang 2014 kosten: Lorbeerblatt, Steinpilze und Grüne Oliven lassen anfangs kaum fruchtige Töne aufkommen. Aber die Heidelbeere hat Geduld – mit Luft zeigt sie sich und dominiert dann auch am Gaumen. Sehr „smooth“ und dunkel im Geschmack, was auch der noch immer lebhafte Gerbstoff zu unterstreichen weiß. Der unterschätzte, weil teilweise (!) kühle Jahrgang, zeigt hier erneut seine Langlebigkeit. Da kommen die aktuellen Jahre – 2018 und 2017, aber auch der fruchtig-konzentrierte 2016er – punkto Tiefgang noch nicht hin.
Der Pinot Noir, dem Hans Bichler in seinen Rieden wie im privaten Keller viel Raum einräumte, stellt aber die noch schönere „Vertikale“ dar. Praktisch jeder Jahrgang zurück bis 2004 hat sich seine Frische bewahrt. Leichte Rand-Bräunungen sollten hier nicht täuschen. Geradezu jugendlich wäre etwa der Blauburgunder 2007 zu nennen, der schon in der Nase zeigt, dass Säure hier überdauert hat. Der Duftmischung aus Himbeeren und etwas Assam-Tee folgt ein hell-fruchtiger Sauerkirsch-Schluck, an den die Tannine wie bei einem Auffahr-Unfall andrücken.
Wer reife Burgunder mag, sollte Max Stiegl (am Bild rechts) oder Wein-Direktor László nach dem Jahrgang 2005 fragen. Roggen-Knäckebrot und glasklarer Kirsch-Duft leiten einen geradezu seidigen Wein ein. Der Tiefgang dieses Blauburgunders erschließt sich mit jedem Schluck: Erdbeere und Schwarze Olive bilden hier eine Familie zusammen. Und wer so harmonisch zusammenlebt, darf den Hausstand gern auf unserem Gaumen errichten. Im Moment schlichtweg perfekt auf den Punkt gereift!
Die hohe Meinung vom Jahrgang 2009 bestätigt hingegen Bichlers Blauburgunder mit Nachdruck. Wie ein Janus-Kopf lässt er zwei Gesichter erkennen: Satter Preiselbeer-Duft steht für die reife Frucht, ordentliche Röstnoten signalisieren die relative Jugend dieses Rotweins. Weichsel und Schlehe mengen sich mit Schwarzem Tee (das jugendliche Tannin!) im Mund. Lang noch nicht am Höhepunkt!
Blauburgunder mit Sex, ohne Geschlecht
Aktuell zugänglich hingegen ist ein Wein, der eines der Vorurteile von Burgunder-Skeptikern, wie wir es mal nennen wollen, widerlegt. Hier ist nichts „dünn“ oder gar ein „Wasserl“, auch das Denken in Geschlechterrollen („feminine Eleganz“) darf man bleiben lassen. Der 2015er wäre allenfalls „queer“, weil er sich Zuschreibungen entzieht. Kräftigerer Pinot Noir wird hierzulande schnell auch „überholzt“, doch hier hat Winzer Schwarz die Feinwaage angelegt. Edelholz-Töne und eine leicht süße Cocktail-Kirsche, die man fast zu greifen scheint, finden sich im expressiven Duft. Wer bislang „seidiges Mundgefühl“ für Weinverkoster-Prosa hielt, soll bitte diesen Wein kosten: Wie ein leichter Schleier legt sich die rote Frucht auf den Gaumen. Griffiges Tannin verrät die Jugend dieses Blauburgunders 2015. Am gewaltigen Zug dieses geradlinigen Weins ändert das genau gar nichts. Diesem Burgunder kann man getrost auch sein Steak überantworten – Frucht und Wucht wären vorhanden.
Auch wenn es kein typischer „Dr. Bichler“ ist (2005 mochte er sehr!): Anstoßen auf sturen Verfechter von Genuss und Qualität kann man damit trefflich. Und innerlich „Danke“ sagen.
Bezugsquelle:
Dr. Bichler/Gut Purbach, Chardonnay 2018 kostet EUR 17, der Pinot Gris 2019 ist um EUR 14 zu haben, Blaufränkisch 2015 und Blauburgunder 2009 sind um je EUR 19 zu haben, alle über Gut Purbach, www.gutpurbach.at