Eine ganze Liste an US-Brennereien listete die New York Times letztens auf, die alle der Physik des Whiskys ein Schnippchen schlagen wollen. Schnellere Reifung lautet das Zauberwort. Denn mehr gebundenes Kapital als das, was in einem mit drei Jahresproduktionen gefüllten Fass-Lager liegt, gibt es bei Start ups kaum. Die Anlaufkosten haben wir einmal mit Investor David Prior in einem Betrag zu seinem Neustart in Schottland überschlagen (hier zu finden) – es waren Millionen Euro. Und dann muss das gebrannte Zeug sich erst einmal verkaufen! Dass man an Alternativen bastelt, liegt im Zeitalter der technischen Machbarkeit nahe. Und es wären nicht die Amerikaner, hätten sie nicht den schnellen Weg gefunden: Packen wir doch einfach mehr Holz in die Gebinde. Ähnlich wie beim Wein lässt sich das mit Holzchips, aber auch eleganter mit mehr Querstreben („staves“) im Fass machen.
Dann kommen noch Licht, Temperatur und Bewegung, etwa durch Schallwellen, in Frage, um das Destillat schneller von harsch und hell zu sanft und schokobraun zu verwandeln. Doch man muss gar nicht so weit gehen. Und auch nicht so weit Ausschau halten nach einem Bilderstürmer des Barrels. Ab und an sitzt auch in Graz ein Mann, der auf die Whisky-Schnellreifung setzt. Bei Dr. Dolf Stockhausen heißt sie so wie einst die Vorspul-Taste beim Kassettenrecorder (jüngere Leser bitte Google-n!): „Fast forward Maturation“.
Das Geld für solche Entwicklungen hat der ehemalige Industrielle, das Know How auch, nur endlos Zeit hat der Mitsiebziger nicht, wie er selbst zu Beginn der Online-Verkostung einräumt. Zum Verfahren selbst ist ihm hingegen wenig zu entlocken, insofern passt der Name seiner Whisky-Marke: Seven Seals. Und ein Buch mit sieben Siegeln bleibt der Reife-Booster. Am Verhältnis von Destillat zu Holz habe man geschraubt. Womit man sich seine revolutionären Fässer nun – frei nach Helge Schneider – als „lang und super dünn“ vorstellt im Kopfkino.
Doch kehren wir auf fakten-sicheren Boden zurück. Die Homebase dieses Verfahrens ist eine der renommierten Brennereien im Kanton Bern, Langatun in Aarwangen. Hier sorgte bereits Hans Baumberger III als Schweizer Whisky-Pionier für Getreidebrände („Olde Deer“). Seit der Übernahme durch Christian Lauper und Dolf Stockhausen produziert Brennmeister Reto Salfinger für die bestehende Langatun-Linie und die Seven Seals-Reihe. Doch wie immer ist es nicht die Story, die schmecken muss, sondern der Flascheninhalt. Und die Standard-Abfüllungen, unterschieden durch die Farbe des 7S-Logos, stehen nun vor uns. Dazu zwei limitierte Abfüllungen, die auch alle Whisky heißen dürfen – unter den gesetzlichen drei Jahren bleibt auch bei den Berner Revoluzzern mit der Schnellspul-Taste nichts im Fass.
Als Erster kommt mit dem „grünen“ Label ein getorfter Whisky mit einem Finish im ehemaligen Portwein-Fass ins Glas. Dieser Seven Seals duftet nach Rauch wie ein frisch angerissenes Schwefelholz, dazu gibt es aus der Frucht-Abteilung etwas Orangenzeste in die Nase geliefert. Feiner Biss von 46% vol. macht sich am Gaumen bemerkbar. Zarte Noten von Malaga-Eis werden von viel Nuss im Finish abgelöst. Wärmend und kräftig ist diese Abfüllung und mit dem Rauch im Rückaroma findet sich ein eleganter Stil, den man in einer Blindkost in Schottland vielleicht Highland Park zugeordnet hätte. Was ja keine schlechte Referenz ist.
Rauchmalz im Stern-Zeichen: die neuen Fass-Stärken
Und es geht weiter mit einem weiteren Portwein-Fass-gelagerten Whisky. Der Tawny Port hat dem Seven Seals mit dem roten Label viel von den Früchten Spaniens mitgegeben: Weichsel und Schokolade laden ein, werden aber von etwas Rauch überlagert. Würze bringen ins Duftbild auch Heu und Cumin ein. Der Rauch verwebt sich gut mit der Frucht – am Ende steht eine Art Zigarrennote. Frischer und säuriger ist der am Gaumen. Roter Apfel ist da und wird sehr saftig im letzten Drittel, dazu kommt etwas Nusscreme (die an diese gefüllten Kekse von Bahlsen erinnern – hießen die Sayonara???). Das trockene Finish ist ein Signal, dass es hier schon vielleicht zu viel dieser „FFWD“-Holzreifung war. Die Rauchnote übrigens ist hier keine Einbildung: In diesem Fall kommt ein Blend aus mehreren Qualitäten ins Fass – und damit eben auch ein Anteil vom getorften Seven Seals.
In der Tat werden Freunde des Torfmalz-Whiskys einiges kosten können aus der Stockhausen-Serie. Denn auch einen „Peated Double Wood“ in Fass-Stärke (58% vol.) führt man im Bernbiet. Die beiden Hölzer sind in diesem Fall aber zwei verschiedene Bourbon-Fässer. Und das Ganze war uns dann zuviel von allem. Spannender hingegen wird der Vergleich zwischen zwei neuen Abfüllungen, die eine kosmische Note tragen. Im Sternzeichen des Skorpions (Scorpio) und des Wassermanns (Aquarius) hat man den Rauchanteil variiert. Der „Scorpio peated“ erinnert mit seinen 49,7% vol. an intensivere Bowmore-Abfüllungen. Denn zum Rauch gesellen sich schön saline Noten, die an geröstete Erdnüsse erinnern. Allerdings ist hier der Gaumen medizinal und trocken, zu den Mandel-Noten und wieder viel Meersalz kommt aber auch ein markanter Teil Holzwürze. Für sich und auch im Schweizer Vergleich ist das feiner Torfmalz-Whisky, aber der hauseigene Konkurrent „The Age of Aquarius“ zeigt, dass es eben die Feinabstimmung ausmacht. Intern als „sanfter Riese“ vermarktet, hat er als „medium peated“ Whisky auch weniger Phenol abbekommen.
In der Nase ist zwar noch intensiver Rauch da, aber den pumpt auch der Alkohol (49,7%) ordentlich auf. Hier sind die salzigen Nüsse um Teer ergänzt im maritimen Duftbild. Im Mund hingegen ist das Hippie-Sternbild entsprechend auch sanfter. Viel eingängiger, als es die Alkoholstärke vermuten lässt, zeigt sich dieser Whisky. Wieder sind hier nussige Noten, zartes Salz und ein langes, wärmendes Finish. Allerdings fallen die Eichenholztöne weitaus sanfter aus. Vor allem aber sind sie nicht eindimensional. „Hard spice“-Noten wie Piment ergänzen die trockenen Noten des Fass-Holzes. Und so klingt nicht nur dieser Whisky exzellent aus, sondern leider auch die Verkostung. Die Bilderstürmer von Seven Seals werden wir aber weiter beobachten.
Bezugsquelle:
Seven Seals, Peated Single Malt Port Wood Finish ist wie auch der Single Malt Port Wood Finish (je 0,7 Liter-Flasche) um EUR 69,- zu haben, der Age of Aquarius (medium peated; 0,5 Liter-Flasche) kommt auf EUR 59, alle im Web-Shop, https://shop.7sealswhisky.at