In nur zehn Jahren hat sich die Tequila-Szene komplett verändert. Und das ist gut so. Die Kopfweh-„Qualitäten“ sind auf dem Rückzug, dafür reizt man nun die Verästelungen der Agave und auch der Lagerfässer lustvoll aus. Die große Nachfrage im Exportmarkt USA (trinkt mehr Tequila als das Erzeugerland Mexiko selbst!) hat auch Geld und Nachfrage für schräge Abfüllungen beschert. Das ermöglicht Boutique-Unternehmungen neben den Dickschiffen auch ihre Nische, die breit genug zum Leben ist. Código 1530 ist genau eine solche Marke, die auch im Visuellen Brücken nach Europa baut. Das Jerusalem-Kreuz würde man anderswo als Symbol spanischen Kolonialismus brandmarken, sensibel wie unsere Zeiten geworden sind.
Doch die 2016 gegründete Marke verwendet das alte Wappensymbol des Bundesstaats Jalisco als einen der Codes (span.: „códigos“), der die Alte Welt mit dem Agavenbrand der Neuen verbindet. Der war ursprünglich ein Geheimtipp unter den lokalen Notablen, ehe man sich entschloss, ihn auch zu etikettieren und zu vermarkten. Die Norma Oficial Mexicana oder NOM auf den Flaschen gibt an, dass es sich um ein Erzeugnis der „Tequilera Las Juntas“ in Amatitán handelt, ein Städtchen, das mit Marken wie „Herradura“ und „El Jimador“ eine Tequila-Hochburg darstellt. Und hier hatte man immer schon französische Eichenfässer in Verwendung, die aus der US-Weinbranche nach Jalisco kamen. Mit dem offiziellen Start von Código 1530 wurde hier noch einiges nachgefasst in Kalifornien. Und die Fässer aus der europäischen Eiche sind essentiell. Denn den „Rosa“, auf den man in Amatitán stolz ist, gibt es nur wegen der Rotwein-Vorbelegung.
Doch vorerst schenkt Andreas Lugmayr, der rührige Austro-Importeur, die Basisqualität jeder Tequilera ein – den Blanco. An ihm wird alles genau beurteilt; schließlich beruhen auch die gereiften Qualitäten auf dieser Basis. Und man nimmt hier die süßesten Agaven aus „Los Bajos“, der Ebene von Jalisco. Den Mindestwert der Industrie (18 Brix) sieht man als zu gering für die Vergärung an. Dafür nimmt man lieber mehr Agavenherzen, sodass zehn Kilo einen Liter Destillat ergeben. Destilliert wird auch nur auf knapp über 40%, nicht auf die üblichen 52%. So erspart man sich Wasserzugabe für die Trinkstärke, allerdings ist auch die Menge geringer als bei den mit Wasser „gecutteten“ Kollegen.
Agaven-Honig in Reinform bringt dieser Blanco Tequila jedenfalls mit; es sind richtig süße Duftnoten, die an getrocknete tropische Früchte denken lassen. In dieser Intensität kennt man das fast nur aus den teuren „Pechuga“-Füllungen, bei denen tatsächlich Obst im Geistkorb hängt. Am Gaumen ist er auffällig cremig und mit einer schönen Zitrusnote versehen, die sich von der üblichen Limettenzeste in Kostnotizen abhebt: Das ist diesmal frische Zitrone! Lang anhaltend ist auch das Finish, das wieder exotische Töne wie Passionsfrucht zeigt, aromatisch aber auch die „Rückkehr des Rauchs“ feiert. In dieser Zusammensetzung muss das mit einem Eiweiß grandiose “Sours” ergeben!
Cabernet macht’s möglich: Der Rosé unter den Tequilas
Doch es gibt noch einen zweiten Blanco im Sortiment, auch wenn der alles andere als Weiß oder Hell im Glas ist. Ein schöner Rosé-Touch zeichnet den bereits erwähnten „Rosa“ aus, der seine Farbe 21 Tage in den Cabernet-Fässern aus Kalifornien verdankt. Die Fässer werden erst danach neu ausgekohlt, um die reiferen Tequilas einzulagern. Doch der „Rosa“ stellt etwas Eigenständiges dar. In der Tat zeigt der blaßrosa Tequila sanfte rotfruchtige Noten (Ribisln vor allem) hinter dem rauchigen Agaven-Ton. Dazu gesellt sich auch Erdbeer-Sahne-Bonbon im Stil von „Campino“. Eine softe Kombination, die sich auch am Gaumen wieder finden wird. Dazwischen ist der rosa Código sehr cremig, weist eine dezente Vanille-Note auf. Das zweite, würzigere, Gesicht repräsentiert der intensive Weiße Pfeffer, der im Finish dominiert. Im Rückaroma ist dann wieder die kühle (!) Erdbeer-Note zur Stelle. Sehr vielseitig und eine echte Erweiterung des Spektrums, dabei aber immer noch klar Agavenbrand!
Diesen Zug der zwei Gesichter – fast einlullende Sanftheit und die Kante eines handwerklichen Tequilas – legt dann auch der Reposado an den Tag: Kühler Rauch, etwas Kamille und Kaktusfeige sind zu erschnuppern. Im Mund ist auch er sehr weich, das unterstreicht auch die Weiße Schokolade, von der er mehr als nur eine Andeutung mitbringt. Aber man soll sich nicht täuschen lassen vom cremigen Mundgefühl: Der Reposado explodiert ab der Gaumen-Mitte förmlich. Dem pfeffrigen Crescendo folgt eine schöne Süße nach hinten hinaus. Damit wird er pur vielleicht zu sanft empfunden. Aber die Eignung als Cocktail-Tequila, speziell für „Pick me-ups“, schätzen wir hoch ein.
Die Abteilung Grillrauch bedient dann der Añejo bestens. Er weist Schweinsbraten-Duft pur auf. Wie frisch aus dem Ofen ist da eine schöne Selchnote über dem ebenfalls nicht leisen Holz-Ton, der trocken und sehr schokoladig wirkt. Auch am Gaumen verhält sich dieser Tequila nahezu Cognac-trocken. Die Süße der Agave ist kaum vorhanden. Dafür gibt es nach hinten hinaus sehr viel Haselnuss und Gewürze wie Piment und Macis. Allerdings bleibt er auch länger haften, als der erste Schluck vermuten ließ.
Diese trockene Art, mit der man die engen Grenzen eines Agavenbrands verläßt, wird aber noch getoppt von einem ebenso hochwertigen wie kostspieligen Vertreter aus der Código-Familie. „Ursprung“ bzw. „Origen“ nennt sich das Destillat, das sechs Jahre im gebrauchten Weinfass reifte. Und hier sieht man den Einfluss des kantigeren europäischen Holzes deutlich. Denn dieser „Extra Añejo“ bündelt im Geruch bereits Kaffee und Schokolade. Diese beiden Duftnoten stehen deutlich über dem Agaven-Honig-Tönchen. Sehr einladend ist dieser Duft à la Wiener Melange. „Teures Holz“ würden wir bei einem Bordeaux zu diesen Eindrücken sagen.
Höchst elegant beginnt der „Origen“ auch am Gaumen, der dann aber mehr Struktur als bennenbare Frucht zeigt. Aber, wie gesagt, wir verlassen nun auch die Tequila-Zone: Der erste Schluck erinnert in seiner trockenen Art etwa an Whisky, der mittlere Gaumen zeigt wiederum Rum-artige Gewürznoten, während das Finale pfeffrig ausfällt. Im Vergleich ist der älteste verkostete Tequila ein Spätzünder, der aber viele Lager-Spirituosen in komplexer Art vereint.
Wer es noch nicht gemerkt hat: Wir sind da klar Mexikaner. Jenseits vom Blanco geht für uns allenfalls noch der Reposado. Die echte Entdeckung aber stellt der „Rosa“ dar. Er ködert mit seiner Farbe vielleicht auch etliche, die um Tequila einen Bogen gemacht haben. Und das allein ist aller Ehren wert. Anders gesagt: Dieses Tequila-Kreuz nimmt man nur allzu gern auf sich!
Bezugsquelle:
Código 1530 Tequila, Blanco kostet EUR 48, der Rosa (technisch auch ein „Blanco“) EUR 56, der Reposado um EUR 62, der Añejo wiederum um EUR 92 und der rare „Origen“ (=Extra Añejo) um EUR 212, alle im Webshop von Andreas Lugmayr, https://andreaslugmayr.at