Mit einem Bündel Wurzelgemüse in der Hand haben wir Simon Vetter einst am Arlberg kennengelernt. Das Zweite, das der Betreiber des Lustenauer Vetterhofs damals zur Hand hatte, war sein Wodka-Erstling. Gebrannt aus Dinkel. Über den haben wir ausführlich gesprochen (und hier geschrieben). Seither kommt ab und an Spannendes aus der Brennblase des Vorarlbergers zu uns. Zumal die Eigenart, internationale Künstler die Etiketten seiner Brände gestalten zu lassen, wunderbare Ergebnisse zeitigt. Murmeltier mit Minz-Atem, sagen wir nur. Und die Illustration für das jüngste Vetterhof-Destillat von der in Rotterdam lebenden Sanne Lujiben steht dem um nichts nach: Blutrausch im Beten-Land, würde hier die Überschrift lauten. Oder: Bat bites beet-root!
Die Basis für das neueste Destillat des Gemüsebauern lieferte nämlich Tonda di Chioggia, eine Rote Rüben-Sorte (!). Allerdings nicht ganz freiwillig. Denn Simon Vetter und sein Team kultivieren das Gemüse speziell für die Gastronomie. Die Tonda ist schließlich eine echte Schönheit, wenn man sie nur durchschneidet oder besser: auf einen Teller hobelt. Das helle Gemüse zeigt rötliche Ringe und ist noch dazu auch im Geschmack milder als das, was man hierzulande aus dem Salat kennt. Doch leider! Auch die schönste Rübe kann nicht verkocht werden, wenn die Gastroherde kalt bleiben. Als kam die Übermenge in die Brennblase und zwar als Geist von der „Randig“, wie die Rübe vorm Arlberg heißt, so wie sie anderswo als „Rauner“ bekannt ist. Die Maische stammt also nicht aus dem Gemüse selbst wie beim Edelbrand, sondern das Aroma wird mit hochprozentigem Alkohol „ausgezogen“, ehe dann erneut gebrannt wird, was eigentlich „rektifiziert“ heißt bei den Destillierprofis. Soweit die technische Durchsage, viel wichtiger aber ist: Wie schmeckt so ein Randig-Geist?
Zunächst einmal ist es hier der Duft, an dem man länger verweilen kann. Denn dass ein Rüben-Destillat nach Rübe riecht, ist nicht so verwunderlich. Wie das dieser Vorarlberger Notfall-Geist tut, hat aber etwas. Denn zu den erdigen Noten der Tonda aus dem schönen Chioggia kommen auch fruchtige Nuancen. Kirschblüte und Dirndl (=Kornellkirsche) beschreibt das gut, denn auch leicht säurig kommt dieses Duftbild daher. Mit Luft kann man auch Himbeere und Blumenerde aussoziieren – beide ist da. Und dass Himbeere und Bete gut harmonieren, zeigt unser letztjähriger Bericht über die Schnaps-Cuvée „Bete&Beere“ aus Hamburg. Doch zurück nach Vorarlberg, wo sich immer cremigere Duftnoten in das rotfruchtig-erdige Gespinst einweben. Weiße Schokolade notieren wir.
Dieser Eindruck schafft dann auch eine Überleitung zum Kostschluck, denn auch im Mundgefühl ist der 40%-ige Randig-Geist ölig und cremig. Sehr sanft transportiert er Geschmacksnoten der herben Art, die fruchtigen Noten verblassen zugunsten von Süßholz und Zitronengras. Im Mittelteil könnte das auch ein aromatisierter Roggen-Wodka sein, der viel Getreidewürze mitbekommen hat. Denn da kommt wieder die tiefgründige Erdigkeit des Gemüses durch. Säuerliche rote Früchte sammeln sich zur letzten Attacke auf die Geschmackspupillen im Abgang. Da ist dann die Himbeere – säurige Ausführung! – wieder da, auch etwas Blutorange kann man schmecken. Ehe wieder ein erdiger Ton, der so etwas wie der Generalbass dieser Komposition ist, die Kost-Eindrücke beschließt.
Für einen puren Schluck geht dieser milde Geist sicher. Gerade im Winter. Instinktiv fiel uns als mixologische Ergänzung auch Cranberry-Saft ein, wobei der just zum Ausprobieren im Shaker nicht im Haus war. Als Zutat in einem weniger süßen „Cosmopolitan“ ist der Randig vom Vetterhof aber auch bestens vorstellbar. Und grundsätzlich passt das Aroma-Profil der Rübe gut zu klassischen schottischen Whiskys – vorsichtig dosieren halt! Bildlich gesprochen, zaubert der Randig-Geist dann so zarte Aromaringe in den Scotch-Cocktail, wie sie seine Tonda di Chioggia ursprünglich aufgewiesen hat.
Bezugsquelle:
Vetterhof, Randig-Geist kostet EUR 25 (0,5 Liter-Flasche) und ist vorerst direkt beim Vorarlberger Gemüsebauer/Brenner zu beziehen, www.vetterhof.at