Man muss da jetzt mit der Formulierung aufpassen. Aber dass es Cocktails in dieser Qualität und Auswahl nunmehr bundesweit per Post gibt, ist eine Folge der Pandemie. Und vielleicht bleibt davon auch was übrig, wenn die Bars endlich wieder normal aufsperren dürfen. Doch mit der Aktion Drinks at home hat man auch etwas beschleunigt, was Kan Zuo „die Digitalisierung aller Berufssparten“ nennt. Und da waren die Mixologen abgesehen vom Facebook-Exzess in eigener Sache bislang eher kein Vorbild. Das hat man aber in Rekordzeit aufgeholt. Aufholen müssen. Im ersten „lockdown” ab März. Learning the hard way, wie der Ami sagt.
Mit einem schnellen Rundruf hatte Zuo, der prägende Kopf der Sign Lounge in der Liechtensteinstraße, Barkollegen und das Spirituosen-Haus Moët Hennessy für die Aktion Drinks at home gewonnen. Die Churchill-Bar in Graz und sieben Wiener Trinkstätten sind nun bei der Neuauflage des flüssigen Lieferservice im Boot. Und es hat sich ausgezahlt, denn der Servicelevel ist so hoch wie in den real existierenden Bars, die Logistik funktioniert und in der nunmehr zweiten Auflage kam auch noch ein gewisser Fun-Faktor dazu. Denn jede Bar steuerte zwei Drinks bei, die per gezeichnetem Porträt und mit einer knappen Erklärung das Flaschenetikett zieren: „Cool, rich, gentle“ steht da bei Gerhard Wanderers „Rat Pack Manhattan“ aus dem Nightfly’s. Zoran Djurovic und Baba Sy aus der First American Bar wiederum gehen es „intensive, fresh, fruity“ an mit dem Cognac-Drink „Eau de Charente“.
Die 16 neuen Cocktails für die ganztags währende Heimstunde kann man auch als Kollektion sehen. Man hat sie – nicht ganz unlustig und „very instagramble“ – mit Themenwelten versehen. Als da wären:
- Sommerurlaub
- Netflix & Chill
- Dinner mit Freunden
- Liebeskummer & Kuchen alias „gegen die Bridget Jones-Stimmung“
- Tanzen zu „Party Rock Anthem“
- Shakespeare vor dem Kaminfeuer
Aber, was soll man sagen? Für uns war vor allem mal interessant, was es mit Whisky gibt auf der digitalen Bar-Karte. Immerhin hat Moët Hennessy mit Ardbeg ja einen der feinsten Islay-Single Malts im Portfolio. Und auch damit wird gemixt. Witziger Weise mit dem fünf-jährigen „Wee Beastie“, den wir genau für die Bar empfohlen hatten, als er erstmals vorgestellt wurde (hier war das!). Sammy Walfisch aus der Wiener Moby Dick hat damit einen wunderbaren Cocktail gemixt, der eigentlich nicht „Island Trüffel“ heißen sollte, sondern besser „Islay Trüffel“. Denn die Rauchnoten kommen selbst bei der nicht wenig intensiven Trüffel-Nase durch, die man per „Fat-Wash“ mit Trüffelbutter in die Flasche brachte. Das Verfahren dahinter ist zwar einfach, aber auch eine Patzerei beim Abseihen. Denn was als aromatisches Fett in die Likörflasche kommt, muss ja auch wieder raus. Aber das haben Profis drauf und schon daher ist es fein, solch einen elaborierten Drink einfach aus dem Postkasten zu fischen (der in unserem Falle ohnehin ähnlich kühl temperiert ist wie der Eis-Schrank).
Der „Island Trüffel” jedenfalls lässt immer eine schöne Schoko-Note mitbaumeln, die mit den fruchtigen Nuancen das Bindeglied zwischen den beiden Geschmacksextristen Torfrauch und Trüffel darstellt. Mit 22% Alkohol ist das nicht unbedingt eine Portionsgröße für einen – die 0,2 Liter lassen sich aber perfekt teilen. Dann hat man auch jemanden, mit dem man über den herben Nachhall dieses getrüffelten „Manhattans“ diskutieren kann. Denn ganz am Ende siegt der Erdpilz wieder über den ebenfalls erd-geborenen Rauch des Ardbeg. Sammy Walfischs „perfect serve“ ziert standardmäßig auch diese Drinks at home-Flasche und sieht eine Grapefruitzeste vor. Das passt gut, denn eine kleine Frischeinjektion macht den Whisky-Drink ein wenig lockerer, vielleicht sogar femininer.
Das Wort brauchten wir jetzt für die Überleitung. Denn Nr. 2 an der Heim(geliefert)-Bar war ein lautes Party-Girl gegen das Umami-Geschwader aus Islay bzw. der Neustiftgasse. Doch hier sind wir am Naschmarkt und so strahlt schon das Glas heller. Mit einem Namen wie „Pfirsich-Popsch“ – eigentlich steht er als „Peach Booty“ auf der Karte im Web – ist auch so Ironie angesagt. Oder das ansteckende Lachen von Isabella Lombardo, das selbst auf den Etiketten-Porträts ein bisschen heller als das der Kollegenschaft rüberkommt. Die Bar-Chefin der Ludvig im Hotel Beethoven hat den Pfirsich aber auch als Zutat gewählt. Und das funktioniert mit dem Glenmorangie als bekannt fruchtsatten Single Malt („orchard fruit“, lobt man bei jeder Verkostung als Charakteristik dieses Whiskys aus).
Wer die schokogetunkten Bailoni-Marillen kennt und mag, hat bereits einen Eindruck, wie dieser „Peach Booty“ schmeckt. Die Frucht ist präsent, aber nicht übermäßig süß. Mit gelber Chartreuse und Orange wurde der Pfirsich ein wenig softer und herber im Geschmack. Auch die Servierempfehlung sieht eine Orangenzeste vor. Leichtfüßig wird der Pfirsich-Po sowieso geschwungen, denn mit 13% ist der Cocktail leicht wie ein Glas Wein. Und müsste man ihn zusammenfassen, hat er etwas von einem Pfirsich-Spritzer mit holzig, Whisky-herbem Ausklang. Wenn man die Schwellenangst vor Single Malts im Drink nehmen will – mit diesem frechen Mix gelingt das. Und wer es nicht glaubt, das ist in der Tat ein sommerlicher Cocktail mit schottischem Whisky. Aber bis die Tür zum Garten der Ludvig wieder offen sind, bestellen wir halt auch den Sommer per Webseite!
Bezugsquelle:
Drinks at home, alle 16 Cocktails kosten zwischen EUR 13 (z. B. der „Peach Booty“) und EUR 21 (etwa der „Island Trüffel“) in der 200 Milliliter-Flasche – für den großen Durst gibt es auch 500 ml-Flaschen, https://drinks-at-home.at