Es war eine Geste echter karibischer Gastfreundschaft – just an jenem Tag, den wir in Pointe–à-Pitre landen sollten, traf eine Flasche Rum mit der Post ein. Denn Corona verhinderte unseren Besuch in Guadeloupe. Doch Hervé Damoiseau schickte eben sein Kern-Produkt nach Europa, um wenigstens auf die Insel anstoßen zu können. Wobei: Eigentlich hat der Rhum, wie man korrekter Weise schreiben sollte, die EU nie verlassen. Denn als Übersee-Départment gehört Guadeloupe zu Frankreich und damit zu Europa. Was unter anderem dem Rhum agricole einen besonderen Gebietsschutz gewährt. Und – für den Konsumenten wichtiger: Steht hier zehn Jahre (dix ans) drauf, dann ist jeder Tropfen dieses Destillats auch so alt.
Vor allem aber stammt der Rhum in Guadeloupe ausschließlich aus Zuckerrohrsaft, nicht aus Melasse. Der Geschmack, vor allem des ungelagerten („weissen“) Brands, macht das deutlich. Denn hier spielt es sich in der Regel ab. Von der Neutralität billiger „Blancos“ aus anderen Erzeugerländern heben sich die „funky notes“ eines Agricole immer ab. Zumal in der Regel auch noch höherer Alkohol diese Aromen befeuert. Bei 45% beginnt etwas bei der Distillerie Damoiseau die Range, es gibt den „Rhum blanc“ aber auch mit 50 und 55%. Und die Insel-Bewohner lieben das! Von den je nach Erntejahr zwischen 2,4 und 2,9 Millionen Litern Rhum bleiben zwei Drittel in der Karibik. Den Rest teilen sich gut 40 Exportländer.
Damit ist Damoiseau ein großer Player im Agrar-Export von Guadeloupe, auch weil es schon einmal mehr Brenner waren. Als Firmengründer Roger Damoiseau 1942 die Produktion am Landgut Bellevue kaufte, dominierten noch andere Erzeuger. 6-7% des lokalen Marktes war das höchste der Gefühle, die Einheimischem kauften vor allem die Rhums von Charles Simonnet (etwa die Marke „Fajou“). Heute ist man auf Grande Terre, dem rechten „Flügel“ der Schmetterlingsinsel, der einzige Rhum-Brenner. Doch genug der Histörchen, die uns – irgendwann, aber dann sicher reichlich – Monsieur Damoiseau sicher ausführlicher erklärt!
Ins Glas kommt der „Rhum blanc“ und zwar die gute Mitte, was die Gradation betrifft. Dieser 50%-ige Agricole ist estrig, wie es die guten Vertreter dieser Kategorie stets sind. Grüne Banane und/oder Limette darf man sich unter dieser Duftrichtung vorstellen. Leicht gärend und wie Weißbier sind die wilden Vertreter, bei Damoiseau ist es eher klare Limettenschale im Geruch. Ihr folgen Grüne Mango und etwas Pitahaya, die die Tropenfruchtabteilung abdecken. Ölig und sanft legt sich der weiße Rhum auf den Gaumen; die Kraft meldet sich erst später.
Zuvor bietet der Rhum noch schöne, exotischen Frucht-Charme auf. Papaya ist etwa zu schmecken, ehe das Destillat quasi die Krallen zeigt. Dann brennt der Agricole leicht, allerdings mildert die fruchtige Art des Zuckerrohrs das gleich wieder. Lediglich ein zart pfeffriger Touch im Finish ist zu merken. Und dieses Geschmacksprofil verlängert auch der klassische Insel-Drink. Mit Süße (Zucker) und Säure (Limette) wird daraus der fünfte Terrassen-Drink 2020. Es ist der berühmte…
Ti Punch
Zutaten:
5 cl Rhum Damoiseau Blanc 50°
1 Viertel Limette
1 Kaffeelöffel Rohrzucker oder 1 cl Zuckersirup
Zubereitung:
Der Ti Punch wird direkt im Glas gebaut. Dass Limette und Zucker ihren Beitrag leisten, fördert ein Rührstab (elegant und karibisch: ein Swizzle-Stick) – so bleibt der Drink bis zuletzt süß, erfrischend und kräftig.
Das Rezept ist übrigens ein echt karibisches, also mit viel persönlicher Freiheit versehen. Was auf der Schmetterlingsinsel ein wenig makaber mit „chacun prépare sa propre mort“ (etwa: Jeder bereitet seinen eigenen Tod zu) umschrieben wird, meint: Mehr vom Rhum, dem Zucker oder der Limette geht immer. Schmecken soll es. Am besten nach Urlaub!
Bezugsquelle:
Damoiseau, Rhum Blanc ist um EUR 28,95 (1 Liter-Flasche) im Webshop des Importeurs Charles Hosie zu haben, www.charleshosie-1918.com