Massen von Eis, Ballongläser und eine Flasche Gin, die nur für sechs Mal Einschenken reicht – das ist Spanien. Hier liebt man den Wacholder-Brand. Während man auf den Tisch wartet, studiert man in Madrids nobelsten wie selbstverständlich die „Carta de ginebras“, in Barcelona steht mit dem „Dry Martini“ ohnehin eine der globalen Kathedralen des Gin-Zelebrierens. Da wird der finale Tropfen Walnuss-Bitter mit beiläufiger Grandezza in die Coupette gesetzt, als würde Picasso eine Graphik signieren. Dass ein spanischer Gin daher zu den meistverkauften Europas gehört, auch wenn ihn kaum jemand in Österreich kennt, verwundert nur Menschen, die Spaniens Gin-Liebe nicht kennen. Larios, so sein Name, hat darüber hinaus aber einen Trend mitbegründet, der nun sehr wohl abseits der Iberischen Halbinsel im Glas ankommt.
„Pink Gin“ ist der Überbegriff, der Cocktail-Kenner allerdings ein wenig verwirrt. Denn es gab lange einen Drink dieses Namens, der aus einem Glas Gin mit einigen Tropfen Angostura Bitters bestand. Der „Pinkers“ oder auch „Gin Pahit“, wie ihn die britischen Kolonialherren des vorigen Jahrhunderts in Südostasien nannten, war ein Getränk der Navy. Als solcher gehört er in die Welt zwischen Singapore und Hongkong, wie sie William Somerset Maugham (ein Freund des steifen „Pahit“) in seinen Erzählungen überleben ließ. Den Spaniern ging es aber nicht um den Alkohol, eher im Gegenteil. Ihr „rosa Gin“ ist leicht, rosa im Glas, weil eben mit Früchten aromatisiert bis an die Grenze des Wacholder-Kenntlichen. Und wo wir Früchte sagen, meint der neue „Pink Gin“ zu 90% Beeren. Und da wieder zu 75%: Erdbeeren.
Dem Trend aus dem starken Gin-Land Spanien folgten alsbald die britischen „household names“ des Wacholders: Gordon’s und Beefeater. Immerhin hat England ein Faible für Erdbeeren, was sich nicht nur in Wimbledon Jahr für Jahr nachvollziehen lässt. Scones mit Erdbeermarmelade zum Tee, ein „Pimm’s Cup“ mit ordentlich Beeren drinnen, all das sind auch nach dem Brexit ur-britische Dinge. Ergo setzt man auch in London und Umgebung auf Beeren. In der Regel passiert das nach dem Destillieren der anderen Aromageber oder „botanicals“ des Gins. Solche Beigaben sorgen dann aber auch für schönes Farbspiel und das ist sommers ja die halbe Miete.
Im Falle des Gordon’s Gin im rosa Trikot ist derlei Infusion auch unverkennbar: Denn nicht nur die kirschblüten-helle Farbe im Glas verrät die Basis dieses „Gin&Tonic; auch der Duft nach Himbeeren und auch Schwarzer Johannisbeere verweist auf die „beerige“ Art. Erst später mengt sich Wacholder in dieses fruchtige Duo. Die beiden Früchte sind es auch, die im Mund die Regie übernehmen: Mit einer schönen Süße beginnt der Gin, die Beeren legen vor, erst ab dem mittleren Gaumen meldet sich der Wacholder zu Wort. Am Ende ergibt sich ein schöner Mix aus fruchtigen, aber auch durchaus würzigen Noten. Dazu ist zu sagen, dass man sich bei den „Pink Gins“ meist am unteren Level der Gesetzesdefinition bewegt. 37,5% Alkohol bedeuten, dass man vielleicht etwas weniger Tonic verwendet als gewöhnlich. Beim „Gordon’s Premium Pink“ kommt dazu, dass es auch ein trockenes Tonic Water sein sollte. Wer es wirklich fruchtig mag, kann aber auch alternativ etwas wie Schweppes „Wild Berry“ verwenden.
Für den zweiten Briten im Test, den Nachbarn des Cricket-Stadions „The Oval“, gilt die gleiche Trinkstärke. Auch Beefeater füllt seinen Pink Gin mit 37,5%, er bringt aber deutlich mehr Wacholder in der Nase mit. Zunächst sind neben dem Gin-Duft selbst auch Orangen-Zesten zu bemerken, erst dann kommen die Erdbeeren klarer durch. Sie wirken aber wie unter Eis verborgen, sehr kühl und niemals expressiv in der Art eines Fruchtkaugummis.
Wenn man so will, dreht er die Szenenfolge des „Gordon’s“ um: Erst kommt hier die Würze des Gins, an der neben Wacholder auch Weißer Pfeffer ordentlich mitwirkt, erst gegen den Abgang hin, legen die Erdbeeren zu. Wer eigentlich Frucht will, dem ist das vielleicht zu viel des Würzigen. Wer hingegen Gin mag und der rosa Fraktion nicht so traut, wird hier überrascht.
Woodland Pink – herbe Hochzeit im Sauerland
Und längst sind es nicht nur die Weltkonzerne, die ihren Gins das „rosa Trikot“ aromatisch überziehen. „Der schönste Gin, den wir je gemacht haben“, nennt man es etwa im Sauerland, bei der Brennerei Woodland. Dort haben sich Matthias Czech und Moritz Dimde für Pink Grapefruit als eine weitere Zugabe zu den Beeren entschieden. Leicht im Alkohol (hier sind es 38%) und mit einer auffallend leuchtenden, schon ins Zyklame kippenden Farbe, wurde der Beeren-Gin zu einem Hingucker. Der prononcierte Duft nach rosa Grapefruit leitet die Verkostung ein. Beeren melden sich in diesem „Pink Gin“ etwas später in der Nase, dann kommen die Himbeere und die Heidelbeere aromatisch durch.
Die Fruchtigkeit im Duft ließ einen ebenso satten Beeren-Touch am Gaumen vermuten. Doch da irrten wir; deutlich herber ist der rosa „Woodland“ am Gaumen, das rundem Mundgefühl kommt fast ölig um die Kurve. Satt lagern da die Geschmäcker auf der Zunge: Auch hier folgt der Wacholder mit Zeitverzögerung den Beeren. Im Finale feiert er gar eine herbe Hochzeit mit den Grapefruit-Zesten, die sich hier wieder sehen/schmecken lassen. Vielleicht der trockenste der drei „Pink Gins“, stellt der Sauerländer Beeren-Gin eine Abwechslung auch für eingeschworene Fans des klassischen Wacholder-Highballs dar. Zesten braucht man da keine mehr als Deko. Die sind serienmäßig eingebaut!
Bezugsquellen:
Gordon‘s Gin, „Premium Pink“ gibt es zum Beispiel bei Billa um EUR 15,90, www.billa.at
Beefeater, „Pink Gin“ ist um EUR 15,90 im Web-Store von Weisshaus zu haben, www.weisshaus.at
Woodland, „Sauerland Pink Gin“ kostet EUR 39,90 im Webshop der deutschen Brenner, www.woodland-gin.com