In diesem Fall war der Corona-Virus ein Türöffner. Denn einige Cocktail-Bars boten schon bisher Drinks fertig abgefüllt an. Ein Klassiker, an den sich viele internationale Bartender erinnern, war die „Piña Colada to go“, die es unter Alex Kratena im Londoner „Artesian“ gab. Doch auch hierzulande haben wir Pioniere dessen, was heute „bottled cocktail“ heißt. Im Falle von Kan Zuo aus der Wiener The Sign Lounge waren das auch kleine Flaschen mit „Dry Martini“ und Co., die er etwa für die Mini-Bar der Hilton-Hotels kreierte. Und seit in der Sterngasse, wir bleiben in Wien, die Josef-Bar eröffnet hat, boten Andrea Hörzer und Philipp Ernst dort auch abgefüllt Drinks wie die Hauskreation „Gene Autry“ an.
Was bislang eher Gimmick, denn ersthafte Trinkalternative war, wurde durch die Sperre der Bars für etliche Mix-Zusteller zum kleinen, finanziellen Rettungsanker. Und siehe da, das ausgedörrte Publikum überwand die Hemmschwelle und erkannte, wie gut derlei munden kann. Das „Josef“-Team nutzte die Nachfrage aber gleich für eine neue Produktlinie. Und es wäre nicht das auch im Catering bei Luxushäusern wie Armani gefragte Duo, wenn nicht auch der „Bottled Cocktail-Shop“ von Hörzer/Ernst ein herausragendes Design bekommen hätte. Viereckige Flaschen, die mehr an Parfümflakons erinnern, denn an schnöde Getränke-Container, kommen bundesweit (!) zum Einheitsporto von 5,90 Euro an die durstigen Kehlen.
„Einen „Sour“ mit Eiweiß werden wir nie verschicken“, sieht Philipp M. Ernst das Angebot eher als Teaser, denn als Konkurrenz zur echten Bar im Ersten Bezirk. Wo es aber in der Rezeptur keine „perishables“ gibt, also verderbliche Zutaten wie Fruchtsäfte oder -pürees, kommen sie in die Flasche! „Old Fashioned“ gibt es klassisch, aber auch mit Rum. Dazu hat man einen „Styrian Negroni“ mit dem Stin-Gin kreiert, der dieser Spirituose auch den aromatischen Vorzug läßt. Die klassische Rezeptur des Italo-Klassikers führt man ebenfalls. Sind genug Cocktail-Freunde beisammen, entfällt auch das Porto – ab 100 Euro, was so circa sechs Drinks entspricht, ist die Lieferung kostenlos.
Dass es auch einen der Lieblinge des Trinkprotokolls per Zusendung gibt, loben wir ausdrücklich: Der karamellig-erdnussige „Snickers Old Fashioned“ kann auch immer in der Tasche getragen werden, wenn es der Tag einmal verlangt (oder die Getränke vor Ort grottig sind). Finalisiert werden die meisten Drinks nur mit Eiswürfeln; wer professionelle Garnituren mag, bestellt einfach Orangenräder oder Ananas-Chips online mit. Very fancy, das! Und sie passen bestens zum überraschendsten Drink im Josef-Angebot, der das magische Duo Ananas-Kokos feiert. Ein echter Stauner ist diese „21th Century Piña Colada“. Sie kommt nicht sähmig und weiß, sondern klar und hell aus der Halbliter-Flasche. Die Methode der Milchklärung, bei der (Zitronen)Säure die Milch ausflocken lässt und das fett-seidige Mundgefühl belässt, macht es möglich. Der Drink braucht einen Schuss Soda und verweist so auf seine Geburtsstätte – die „Josef Highball Bar“, das zweite Lokal der Mixologen in der Sterngasse.
Wer Whiskey mag oder patriotischer Trinker sein sollte, ordert am besten den „I am from Austria“. David Gölles‘ Ruotker’s Whiskey (mit „e“ geschrieben, wie hier nachzulesen ist) kommt mit heimischem Sloe Gin und Schokoladen-Likör zusammen. Der steirische Whiskey „zähmt“ in diesem Dreiteiler die Süße der beiden Liköre, während diese wiederum die Basis-Spirituose mundgerecht abschmirgeln. Ein grandioser Drink, der nur einen Nachteil hat: Wie bei allen „bottled cocktails“ steht auch der Alkoholgehalt auf der Flasche: 30%, damned! Doch damit sind wir beim letzten Vorteil der Profi-Drinks für die Heimbar: Der Rest kommt einfach in den Kühlschrank. Und morgen süffeln wir weiter den schokoladig-schlehdornigen Steirer-Mix!
Bezugsquelle:
Josef Bar, Bottled Cocktails sind ab EUR 14,50 (Einzelflasche á 0,1 Liter) erhältlich, der halbe Liter kostet je nach Zutaten zwischen EUR 39,50 (z. B.: „Negroni“ oder „Martini“) und EUR 54,50 („Rum Old Fashioned“ oder „Vieux Carré“), alle Details und Bestellung via www.josef-bar.at/shop/