Wie es wohl gerade im Senne-Tal aussieht? Bei uns blüht die Kirsche – und auch wenn die Bäume nicht von der Sonne beschienen werden, strahlt das weiße Blütenkleid durch die Regentropfen. Was poetisch klingt, erwies sich als ganz prosaische Erinnerung. Denn im Kühlschrank wartete noch ein Bier der Marke „Sehr polarisierend“. Sauerbiere an sich sind schon eine Angelegenheit, die das Biertrinkervolk teilt wie Moses die Fluten (eindeutig zu viele Monumentalfilme zu Ostern konsumiert!). In unserem Falle ist aber zudem auch noch Frucht im Spiel. Denn da kommt die Kirsche ins Spiel – und zwar im erwähnten Senne-Tal.
Dort nämlich nutzen zehn belgische Brauereien die natürlich vorkommende Hefe, um ihr Lambic zu brauen. Die Spontanvergärung macht dieses Fähnlein der Aufrechten zu einer einzigartigen Gruppe im Brauwesen. Traditionell kann mit diesem Bier dann auch noch eine zweite Gärung in der Flasche gestartet werden, indem man neuen Zucker für die gefräßigen Hefen zuführt. Diesen Anteil liefern traditionell Früchte, vor allem Kirschen, aber auch Himbeeren sind die ehe konventionelle Zuckerquelle. Dann wird aus dem Lambic z. B. ein Kriek Lambic. Wobei das martialische Wörtchen eigentlich nur die flämische Bezeichnung für Sauerkirsche darstellt.
Das Mort Subite, unser Getränk zur Kirschblüte, erzählt aber nicht nur diese technische Bier-Geschichte. Es ist auch ein Beispiel für die Konzentration des Brauereiwesens selbst im gelobten Bier-Land Belgien. Denn der Hersteller des roten Fruchtbiers, Alken-Maes, ging bereits aus einer Fusion, nämlich der Brauereien Alken und Maes hervor, die ihrerseits die ältere De Keersmaeker-Brauerei geschluckt hatten. Sie hatte das Know How und die Namensrechte am „plötzlichen Tod“, wie das Bier seit 1970 nach einer bekannten Brüsseler Kneipe heißt. Doch auch Alken-Maes wurde im Jahr 2000 Teil eines größeren Ganzen, als die britische Biergruppe „Scottish&Newcastle“ die Belgier schluckte. Und wie es so geht im globalen Kapitalismus, war 2007 auch dieses eigenständige Unternehmen Geschichte. Das Kriek Lambic von Mort Subite gehört heute einem Konsortium aus den Bier-Giganten Carlsberg und Heineken.
Aber keine Angst, für Geschmack und Kontinuität sorgt seit drei Jahrzehnten der selbe Mann in Kobbegem, dem Brau-Standort nordwestlich von Brüssel. Bruno Reinders kam als 20-Jähriger noch zu Alken-Maes und experimentiert bis heute mit den Sauerbieren. So legte er etwa eine Version mit Wacholder („Botanic Lambic“) für die Generation Gin&Tonic vor. Doch zurück zum Klassiker des Brauhauses; im Kirschbier macht der Anteil der Frucht immerhin rund 21% aus. Das meiste stammt aus Weichselsaft-Konzentrat. „Lots of fresh Belgian cherries“ verspricht das Label dennoch, auch wenn gerade mal 1,2% frische Kirschen in den Lagertank der Brauerei kamen. Dafür kauft man als einer der wenigen Kriek-Erzeuger ausschließlich belgische Kirschen. Anderswo kommen sie auch aus Polen oder der Türkei.
Nationalismus ist den Belgiern zwar nicht gerade fremd, doch in diesem Falle geht es darum, nahe an ein historisches Ideal zu kommen im Lagertank. Denn an sich gilt eine Sorte als klassische Zutat: die Sorte Schaarbeekse. Von ihr gibt es so wenig, dass die meisten Brauereien – auch Mort Subite übrigens – limitierte Editionen mit der „Original-Kirsche“ als „Schaerbeekse Kriek“ anbieten. Ersatz bietet die Weichselsorte Kelleris 16 um. Aber in diesem Fall gibt es belgische Kirsche im „Mort Subite“ – und das reichlich!
In der Farbe sowieso, denn die leuchtet förmlich im Kostglas. Im Duft muss sich die rote Frucht erst ein bisserl schön machen für den Trinker. Anfangs erinnert der Geruch mehr an Himbeere – wie in der alten Brause, die es in Freibädern der 1980er aus Plastikschläuchen gab. Beachtlich ist auch die schöne Schaumkrone, die sich im Glas bildet, und mit ihr kommt allmählich auch der Kirschduft stärker durch. Er erinnert an eine säurig unterlegte Version der Kirschblüte, auf die es sich die Japaner so stehen („Sakura“). Leicht wie eine Blüte ist das mit 4% Alk. gefüllte Kriek Lambic ohnehin.
Wer die speziell belgische Mischung aus süßem Antrunk und säurigem Zug zum Tor nicht kennt, die so gar nichts mit „Radler“ oder „shandy“ zu tun hat, stellt sich am besten eine Mischung aus Weichselsaft und Pink Grapefruit vor. Vor allem der Nachtrunk des Mort Subite erinnert an Zitrusfrüchte – wie Blutorange hängt es frisch-säuerlich nach. Da darf die Sauerbier-Note noch einmal (encore une fois, täten sie in Bruxelles wohl sagen) so richtig aufschrammeln. Und der Kirschbaum wippt dazu mit den Blütenästen.
Bezugsquelle:
Mort Subite, Kriek Lambic ist um EUR 1,99 (0,25 Liter-Flasche) im Online-Shop von Beerlovers erhältlich, www.beerlovers.at