Sein Wissens-Durst war offenbar stark. Hört man sich die Vita von Andreas Lenzenwöger an, kommt man um diesen Schluss nicht herum. Denn als Sommelier an der Seite von Adi Schmid (noch im „alten“ Steirereck) oder im Hamburger „Le Canard“ von Josef Viehhauser kennt man sich schon ganz gut aus in Sachen Wein. Doch das faustische Streben, der Erkenntnisdrang zum Trank, brachte Lenzenwöger letztlich aus dem Restaurant direkt auf ein Weingut. Und auch das nicht irgendwohin, sondern als Praktikant zu Willi Sattler in die Südsteiermark. Gegangen ist er als Kellermeister. Next stop oder besser prochain arrêt: Châteauneuf du Pape!
Hier kümmert er sich seit 15 Jahren um die Weine der Domaine de Pegau. Doch irgendwann kamen da ein paar hundert Kilo Trauben, die man ihm persönlich angeboten hat. Das war vor vier Jahren und was mit einem Fass Wein als Hobby begann, aperte so aus, dass mittlerweile die Garage aus allen Nähten platzt. Denn Lenzenwöger hat mittlerweile sechs Fässer, allesamt vom bekannten Küfer Guigal, im Einsatz. Ihnen schaut er „gerne vom Küchenfenster aus bei der Vergärung zu“. Denn diese erfolgt im Freien, seit der Erstling 2016 „viel zu gut nur für einen Haus-Wein“ ausfiel. Der Verzicht auf maschinellen Einsatz geht aber noch viel weiter. Gestampft werden die Trauben, Pumpen und Rührwerk gibt es auch keines – der erste Kontakt mit Strom erfolgt praktisch erst beim Füllen der bislang zwei Weine unter dem Garagen-Winzer-Label Definitely Red. Die Wachsversiegelung in Gelb und Rot unterscheidet den „Le Blanc“ aus der Clairette-Traube vom roten Grenache – getunkt werden die Def Red-Flasche natürlich von Hand.
Bédarrides, wo sich Maria und Andreas Lenzenwöger niedergelassen haben, liegt nahe am Antiquitäten-Händler-Treff L’Isle-sur-la-Sorgue (was wir erwähnen, weil sie auch das Gästehaus Maison le Belvédère im Département Vaucluse betreiben). Bis vor kurzem kam das Trauben-Material ausschließlich von hier, „mit dem Jahrgang 2018 bekommen wir aber auch eine kleine Menge aus Châteauneuf du Pape“. Der Wein wird aber weiterhin als „Vin de France“ geführt, denn – in diesem Punkt denkt Lenzenwöger ganz österreichisch – dem Winzer geht es um die Rebsorte und keine starren Klassifikationen.
Im Falle des 2017er Clairette (alias „Le Blanc“) pendelt der Duft zwischen floralen Tönen wie Lindenblättern, Grüner Birne und etwas Honig. Die Süße ist aber hier immer begleitet von einem sie quasi erdenden Ton. Was angenehme Erinnerungen an blanchierte Mandeln und Grießkoch hervorruft. Tatsächlich geht es darum, möglichst gegen eine Überreife der Sorte und damit zu „breite“ Weine zu arbeiten, so Lenzenwöger. 2017 hat er dafür eine längere Maischestandzeit und mehr Gerbstoff in Kauf genommen. Denn auch das Tannin-Gerüst bringt á la longue Frische. So entwickelt sich aus dem anfänglichen Mostapfel und der Zwiebelmarmelade am Gaumen ein erst nur leicht salziger Zug, der sich dann zu einer deutlichen Würze-Ader auswächst. Etwas Estragon ist zu schmecken; insgesamt geht es hier weniger um ein Aromen-Karaoke, sondern die Struktur dieses Weines, der immer feiner und würziger wird. Wohlgemerkt bei 14% Alkohol, über die man aber nicht reden muss, weil man sie nie so empfindet.
Die einerseits fruchtige, entfernt süße, Note, diese softe, andrerseits pikante und zum Weitermachen reizende Art ließ sich für uns mit einem Wort zusammenfassen: Grammelpogatscherl! Genau dieses fett-süße-würzige Spiel und das Unwiderstehliche zeichnet den „Le Blanc“ 2017 aus.
Die Fassprobe vom weißen 2019er zeigt, dass der Stil noch immer verfeinert wird. Denn dieser Clairette wirkt gefälliger, floraler auch schon im Duft. Am Gaumen ist er wieder mit Salz und Säure gesättigt, aber der Gerbstoff kommt – trotz der Jugend – erst ganz im Finish durch. Dies soll der Stil der nächsten Jahre werden, meint der Winzer, der immer nach mehr Raffinesse strebt. Das zeigt dann auch der Vergleich des aktuell im Handel befindlichen Rotweins von Definitely Red (es ist Jahrgang 2017) und dem Fassmuster des für Mai angekündigten 2018ers.
Man kann den im Glas relativ helle Grenache dennoch als „strahlend Rot“ bezeichnen. Denn zwischen reifen Himbeeren und frischen Roten Rüben spielt sich die erste Nase ab. Mokka, Malven und Rooisbos-Tee ergänzen diesen Eindruck, wenngleich mit leicht herberer Duftnote. Der Antrunk fällt seidenweich aus, es dauert eine Zeit, bis der Gerbstoff merklich auffrischt. Scheinbar wird auch die Frucht des Weines von der Rhône dunkler. Die anfängliche Preiselbeere nimmt einen Zug von Brombeere (wenn auch säurig und nicht dunkel, reif und satt zu denken!). Mit einem Touch Timut-Pfeffer und seiner Mischung aus Grapefruit-Noten und erdiger Pfeffrigkeit geht der 2017er dann in die Verlängerung.
Es ist schwer zu sagen, wann dieser Wein endet, denn er verhaucht eher. Das burgundische Vorbild, dem sich Andreas Lenzenwöger mitunter näher wähnt als der Power mancher Châteauneufs, klingt hier nach, indem nichts nachklingt. Nichts Lautes zumindest. Das steht auch hier nur auf der Flasche: 15%. Vermutlich kommen die elektronischen Messgeräte nicht so gut mit dem „handgemachten“ Wein aus der Garage zurecht.
Der Vergleich macht sicher, denn das Fassmuster vom Jahrgang 2018, zeigt schon im Duft viel dunklere Anmutung: Brombeere, Kakao, etwas Krenwurzel und Lorbeer werden im Mund vom schon bekannt seidigen Touch des „Def Red“-Hausstils abgelöst. Doch auch hier zeigen sich Rum-Pflaumen, Johannis-Nüsse und auch mehr Gerbstoff. Wer die Entwicklung dieses Weins beobachten will, sollte ihn sich nur rasch sichern. Denn viel mehr wird auch auf absehbare Zeit nicht aus der Garage von Bédarrides kommen, versichert der Winzer.
Bezugssquelle:
Definitely Red, der Clairette „Le Blanc“ 2017 ist um EUR 49,90, der „Definitly Red“ 2017 um EUR 54,90 erhältlich, beide bei Kracher Fine Wine, www.finewineshop.com