Die stilvolle Atmosphäre im Schloss Grafenegg macht es leicht, die Vorstellung der neuen Lagenweine der ÖTW-Gruppe als Debütantinnen-Ball zu sehen. Da und dort blitzt noch ein bisserl Babyspeck durch, anderswo wird mit einem jugendlich zarten Gewebe aus Säure, dem Push up-BH aus dem Weinkeller, mehr bleibende Schönheit vorgespiegelt, als sich dann nach einigen Jahren Zusammenleben herausstellt. Kurz: Es ist eine Momentaufnahme, die mit Gegenübern erfolgt, bei denen man etwas Vorstellungskraft benötigt. Immerhin läuft man nicht Gefahr, mit unklugen Taxierungen der Eintänzerinnen namens Riesling und Veltliner deren Familie zu verschrecken. Denn es ist ein „silent tasting“.
Die Winzer selbst führen einem die Schönen des Tages zu, danach wird ein Tanz im Glas gewagt und gewertet. Mitunter kann man er ahnen, dass die Tochter aus dem 2018er Jahrgang (es tanzen auch Nachzüglerinnen, Baujahr 2017, mit), irgendwann so sein wird wie die Mutter, die man bereits kennt und liebt. Doch genug der unreifen Vergleiche, bevor die Wein-Me too-Polizei ausreitet. Fakt ist, dass heuer erstmals die Carnuntumer Winzer auch mit ihren Riedenweinen teilnahmen (wir widmen ihnen – ebenso wie der jüngst ÖTW-Member gewordenen WienWein-Gruppe – einen eigenen Beitrag. Doch diesmal geht es um unsere „Ballköniginnen“ (okay, das war das letzte Mal!) in den beiden weißen Donauraum-Dominator-Sorten. 36 Mitgliedswinzer aus Traisental, Kremstal, Kamptal und dem Wagram sorgten für eine große Auswahl – wir beginnen einmal mit den geschmacksauffälligen Rieslingen.
Der Duft nach Rauch und Frucht zugleich erinnert beim ersten „Liebling“ – es ist der „Ried Steingraben“ 2017 vom Mantlerhof – an eine Nuss-Schokolade mit einem Herz aus Erdbeeren. Die intensive und einigermaßen Riesling-untypische Duftnote übersetzt sich am Gaumen in eine druckvolle Welle aus kühlen, roten Beeren, aber auch Grapefruit. Die 14% des Kremstaler Rieslings sind gut verpackt; für Stoffigkeit sorgt ein an Milch-Karamell erinnernder Touch, der sich aber in seiner Wucht mit einer weiteren Eigenschaft ausbalanciert, die man dem auf Löss gewachsenen „Steingraben“ nicht zutrauen würde. Doch er wird seinem Namen gerecht und schließt mit mineralischem Salz-Tönchen ab. Schon jetzt antrinkbar und einmal mehr ein Beweis für die feine Klinge Sepp Mantlers!
Das Schöne, selbst in der frühen Form der Weine in Grafenegg, ist die Vielfalt an Stilen, die sich in der Lagen-Verkostung natürlich am pursten zeigt. Der Charakter der Herkunft bringt dann beispielsweise einen tropen-fruchtigen Riesling hervor, der neben einem fast zitrusfruchtig-kargen Sortenvertreter zu stehen kommt. Im Falle von Ludwig Hiedlers „Gaisberg“, der bereits aus dem Jahrgang 2018 stammt, äußert sich das in einem intensiven Mango-Kumquat-Mix im Duft. Thai-Basilikum und Blutorange setzen fürwitzig noch einen exotischen Gruß drauf.
Als echter „Jüngling“ ist hier das Frucht-Säure-Spiel noch adoleszent wie beim Abfangerl-Spiel: Reineclaude, Pink Grapefruit, aber auch säurige Marille finden sich am Gaumen, der von dieser Spannung fast gebannt ist. Die druckvolle und kühle Art dieses leichten (12,5%) Hiedler-Weines zeigt derzeit fast noch mehr Struktur als konkreten Frucht-Ausdruck, erfrischt aber immens. Nicht unbedingt sortentypisch, aber von großem Trinkanimo!
Einen kräftigen Antritt – wir notieren: leicht verbrannten Toast, viel Kokos und ein Touch Haselnuss-Schnitte – pflegt auch der Riesling Ried Steinmassl von Fred Loimer. Der Langenloiser ist allerdings auch wieder ein 2017er Jahrgang und webt um seinen Kern aus sortentypischem Obst ein Netz exotischer Freundschaften. Kokosmilch ist wieder da, aber auch eine ordentliche Dosis Ananas, das ganze aber weit weniger üppig, als die -artige Beschreibung vermuten lässt. Die Säure stützt diese Intensität gut, im Finale zeigt eine frische Cavaillon-Melone, das auf lange Sicht die Frucht übernehmen wird. Keine Angst, großes Lager-Potential liegt bei diesem Loimer-Wein vor!
Martin Nigl hatte in Senftenberg mit dem „Pellingen“ stets eine Bank in Sachen Riesling, allerdings heißt dieser Wein – nach neuer Lagen-Abgrenzung – ab dem Vorjahr „Hochäcker“. Sei’s drum, denn auch unterm neuen Namen zeigt dieser Wein schon in der Jugendlichkeit des 2018ers, was geht. Der mit 14% keineswegs leichtfüßige Wein kombiniert Kurkuma, den gemüsigen Rauch eines gegrillten Spargels und Curry-Pulver mit einem fruchtigen Touch (Kaki) und dem verführerischen Duft eines Marmorkuchens. Das ist schon recht viel an Nuancen, doch am Gaumen sorgt dieser Riesling Nigls mit einer weit feingliederigen Art für weitere Attribute: Zitronenmelisse, kreidige Kühle, wieder Curry-Pulver und Grüner Pfeffer machen einen Wein aus, der sich weniger über die Fruchtigkeit, denn über seine Struktur definiert. Animierend und lang bereits in dieser Jugend, könnte man ihn als Präzisions-Uhrwerk des Kremstaler Rieslings bezeichnen.
Bezugsquellen:
Mantlerhof, Riesling „Ried Steingraben“ 2017 ist um EUR 18,50 ab Hof zu haben, https://mantlerhof.com
Weingut Hiedler, Riesling „Gaisberg“ 2018 kostet EUR 22 im Web-Shop Hiedlers, https://www.hiedler.at
Weingut Loimer, Riesling „Steinmassl“ 2017 kostet EUR 30 ab Hof bzw. im Webshop, https://loimer-shop.at
Weingut Nigl, Riesling „Hochäcker Privat“ 2018 kostet EUR 30 ab Hof bzw. im Webshop, www.weingutnigl.at