Er hat jedes Mal nur einen Wurf. Wo ansonsten viele Versuchssude eingebraut werden, um zu einem Rezept zu kommen, ist das Axel Kiesbye bei seinen Waldbieren nur bedingt möglich. Denn die geernteten Mengen der Zutaten aus den Wäldern der Bundesforste sind begrenzt. Zumal es heuer – bei der neunten Auflage der mittlerweile recht legendären Biere – um die Elsbeere (Sorbus torminalis) ging. Und die ist eine Seltenheit geworden. 2018 war glücklicherweise ein gutes Erntejahr für das rare Rosengewächs, das im Forstrevier Breitenfurt 30 Kilogramm der Früchte ergab, „die botanisch eigentlich ein bis zwei Zentimeter kleine Äpfel sind“ (©Kiesbye).
Die auch „Aschitzn“ oder „Adlitzbeeren“ genannten Elsbeeren galten einst als Medizin gegen Bauchschmerzen und Durchfall, die „Ruhrbirne“ und „Darmbeere“ zeigen das als Synonyme noch an. Doch damit lassen sich auch 30.000 Liter Bier aromatisieren, die „Aufklärungsarbeit mit Geschmack“ leisten sollen. So formulierte es ÖBf-Vorstand Rudolf Freidhager, der den „Spätblüher“ mit dem teuren Holz anlässlich der heurigen Bier-Edition kurz porträtierte.
Die Früchte der Elsbeer-Bäume wurden dann gefroren, um den Gerbstoff zu senken. Aus dem rötlichen Fruchtmus extrahierte Brau-Düsentrieb Kiesbye dann auch die Wild-Hefen, denn eigentlich sollte damit die Gärung starten. Daraus wurde letztlich nichts, das Waldbier entstand aus einer Mischung von obergäriger Hefe, die aber nicht ganz durchkam bei den wild gesammelten Früchten, später sorgte untergärige Hefe für die Würze der heurigen Edition. Mit Cascade-Hopfen in der kalten Phase, dem Lagertank, „gestopft“, wie das Brauer sagen, kam das Elsbeeren-Bier dann auf die Flasche (wie immer gibt es auch reichlich 0,75-Liter-Gebinde davon).
Der erste Duft ist von der jugendlichen Intensität „junger“ Biere geprägt; der Cascade-Hopfen bringt Kiwi und Grapefruit als exotische Duftnoten ins leicht harzige Duftbild ein (Freunde illegaler Rauchwaren werden vielleicht auch ein leises „Orange bud“ murmeln). Die Rezenz des Elsbeeren-Biers fällt gut aus und leitet eine Art Drei-Akter ein. Denn auf die frischen Limetten-Schalen des Antrunks folgt als Mittelteil ein malziges Herzstück. Diesem, der obergärigen Hefe geschuldeten, Karamell-Intermezzo schließt sich dann die deutliche Geschmacksfährte der verwendeten Wildfrüchte an: Zartes Marzipan, das an Kirschblüten (Sakura) erinnert, leitet den finalen Akt ein. In ihm lässt eine leichte, vegetale Schärfe im Stile eines Kresse-Brots das 2019er Waldbier dann ausklingen.
Der Trinkfluss des 6% starken Bieres ist im gekühlten Zustand überaus gut. Wer aber gerne mit den Elsbeeren am Gaumen Zwiesprache halten will, sollte eher einen wärmeren Schluck trinken. Oder das Waldbier ein bisserl stehen lassen. Dann kommen die „Aschitzn“ nämlich so richtig fein durch.
Bezugsquelle:
Kiesbyes Biere der Wildnis/Österr. Bundesforste, Waldbier 2019 „Elsbeere“ ist um EUR 2,90 (im 20er-Pack) im Webshop des Brauers erhältlich, die 0,75-Liter-Flasche kostet ebendort EUR 12,50, http://kiesbye.at