Solche Geschichten mögen die Magazine, die sich ausschließlich mit Wohl und Wehe von Firmengründungen beschäftigen. Dort wären Sebastian Brack und Max Wagner auch bestens aufgehoben, wenn sie nicht statt fusel-freien Bürsten, Mähroboter-Apps und virtuellen Gartenzäunen für Hamster Alkohol machen würden. Daher interessiert auch uns, wie es seit 2014 mit ihrem Produkt Belsazar weiterging. Denn im Vorjahr übernahm der weltgrößte Spirituosen-Konzern Diageo die Anteile der beiden Gründer an ihrem Schwarzwälder Wermut.
Entstanden war die Idee aufgrund der Vorerfahrungen in der Branche, so Max Wagner: „Ich baute die Gin-Destillerie Duke’s mit auf, Sebastian war Gründer der Tonic-Marke Thomas Henry“. Für Wermut, den zu 75% auf Wein basierenden Bitterling, braucht es aber mehr als eine Kräutermischung und gute Ideen. Doch in Sachen Brände kennt sich Philipp Schladerer-Ulmann aus. Der Brenner aus Staufen im Schwarzwald liefert die Fruchtaromen und den hohen Alkohol, mit dem der deutsche Wein (je nach Wermut-Sorte kann das Gutedel, Pinot Noir, Riesling oder Traminer) aufgespritet wird. Indem man – salopp gesagt – Fruchtdestillat zum Wein und den Kräuter-Auszügen gibt. Je nach Art des Endprodukts wird mit Traubensaft-Konzentrat (= Süßreserve) auch noch für verträgliche Süße zwischen 25 und 180 Gramm Restzucker pro Liter gesorgt.
Den Auftakt der Kost macht jener Belsazar, den man momentan noch in etlichen Schanigärten zwischen Berlin und London sieht – da kommt der Rosé mit Eiswürfeln, Tonic und Zitrus-Garnitur als Erfrischung ins Glas. Das Destillat Philipp Schladerers riecht man in der Sekunde. Der Himbeer-Duft dieses Brands prägt (neben weit weniger markantem Cassis und reifen Birnen) nämlich die Nase des Belsazar Rosé. Im Mund allerdings kommen die Schwarzen Johannisbeeren markanter durch als die Himbeere; hier entspinnt sich mit den Alpenkräutern ein schönes Spiel. Arnika, Blutorange und Weißer Pfeffer tragen den intensiv-fruchtig duftenden rosa Wermut in ein kräutriges Finale.
Die Namensgebung hält die Erinnerung an den alttestamentarischen König Belsazar wach, einen trunkenen Frevler, dessen Sünde Johnny Cash besang, aber auch Heinrich Heine in Verse kleidete:
Jehovah! dir künd ich auf ewig Hohn –
ich bin der König von Babylon!
Doch die Geschichte dahinter ist weniger mysteriös (Belazar erscheint ja die Vorzeichen schreibende Hand, das „Menetekel“) und blutrünstig (der König stirbt in der gleichen Nacht). Eigentlich sollte der Wermut Balthasar nach dem Namen eines Schladerer-Ahnen heißen. Den Uropa wollte man den Start up-Buben doch nicht als Markenrecht abtreten – und im Alphabet war der nächste Name einer, der auch international funktioniert. Somit hatte der „Dry“ Wermut auch einen Paten. Und so schmeckt er: Reife Feigen und saftige Nektarinen, an denen schon die Wespen nagen, leiten einen Wermut ein, der am Gaumen weit trockener wird. Da spielen dann Kamille, Ringlotten und frische Kräuter wie Zitronenmelisse und Orangenminze die erste Geige. Das ätherische Finish verpufft in einer staubig-trockenen Wolke. Der Nachgeschmack setzt mit Zitronenpfeffer nach. Großartig für einen „Martini“, der dann wirklich „Dry“ wäre.
Wermut sollte schwach genug zum pur Trinken und kräftig genug für die Verwendung im Cocktail sein
Max Wagner
Der kräftigste der fünf Wermuts, der weiße Belsazar, erinnert an saftige Orangenspalten, Hustensaft und Kamillentee, der über Strohsterne tropft. Was ärger klingt, als es duftet, ist ein Anklang an reife Beerenauslesen. Der Grundwein – Gewürztraminer – bringt satte 180 Gramm Zucker ein, doch man hat auch Gegengewichte angezurrt. Dem samtigen Kompott-Pfirsich und ebenso aus der Dose gepulten Mandarinen-Spalten steht eine an Sanostol und Anis erinnernde Bitternote gegnüber. Vor allem im Finish kommen dann beinahe schon an Absinth und gegrillte Artischocken erinnernde Noten beim Belsazar white durch. Das ist kein Solist, sondern ein feiner Cocktail-Partner.
In einem einzigen Fall wurde man dem Obstbrand von Schladerer untreu und sucht in tropischen Gefilden nach einem Aromageber. Diese Ausahme setzt auch auf einen anderen Grundwein, nämlich Riesling vom nicht gerade unbekannten Mosel-Winzer Ernie Loosen. Das Frucht-Säure-Spiel der Weine Dr. Loosens wird von Ananas fruchtig fortgeführt und mit den Bitterkräutern kombiniert. „Riesling Edition“ riecht expressiv nach der Tropenfrucht wie die gelben Goldbären von HARIBO; zum Mix aus Ananas-Gelée und Holunderblüten gesellen sich am Gaumen Grapefruit (rosa, süß) und Honigmelone. Und der Riesling? Der steuert ganz am Ende einen Touch Weingarten-Pfirsich bei.
Für den Einsatz an der Bar erweist sich der Belsazar Red als wichtig; sein Rezept wurde auch verändert, „zum Spätburgunder kommt auch Muskateller“, so Wagner. Würziger Rotwein-Duft nach Aranzini, Roten Rüben und Kreuzkümmel wird von der erdigen Wurzelbittere eines Cocktail-Wermuts begleitet. Dieser Nasen-Eindruck täuscht nicht: Bitter im Antrunk, stehen Schwarze Nüsse, Eibisch, Macis und Sternanis zu Buche. Frucht liefert Granatapfel, auch eine eher herbe Sache, die für den langen, gerbstoff-reichen und medizinalen Ausklang sorgt. Wie Bette Middler so schön zu Tom Waits sagt (im Duett „I never talk to strangers“): „Bartender, I’d like a Manhattan, please“! Ein Negroni geht aber auch.
Bezugsquelle:
Belsazar, der „Dry“ kostet EUR 14,90 (0,7 Liter-Flasche), „Red“ und „White“ je EUR 19,90, während für den „Rosé“ 17,90 EUR fällig werden und die „Riesling Edition“ 21,90 EUR kostet – alle bei Weisshaus online, www.weisshaus.at