Stephan Mehofer geht es wie vielen Winzern: „Wir haben erst die letzten Jahre begonnen, systematisch Weine zurückzulegen“. Und so ist es in einigen Fällen buchstäblich die letzte Flasche, die der Wagram-Winzer für uns entkorkt. 25 Jahrgänge sind ein Feiertag für jeden Weinfreund, wenn sie allesamt vom Roten Veltliner stammen, wird daraus eine doppelte Raritäten-Probe. Dazu kommt im Falle dieser Probe auch noch der spezifische Haus-Stil. Schon Mehofer senior stellte auf biologische Bewirtschaftung um. Aus schlichtem Unbehagen mit der Turbo-Landwirtschaft, nicht aus Ideologie heraus. Spannend ist eine Beobachtung nach 25 Jahren Bio im Weinbau: Die Trauben vom Neudeggerhof tendieren zu niedrigerem Alkohol – auch wenn die Reife hoch ist.
So ist es eine Ausnahme, auf die Stephan Mehofer gesondert hinweist, wenn ein Wein einmal 13 Volumsprozent aufweist. Der Lagen-Wein „Wadenthal“ 2017 ist dieser Kraftlackel unter den verkosteten Weinen, sein Duft nach Klee-Honig, ein karamelliger Zug wie „Stollwerck“, aber vor allem Dosen-Mandarinen scheinen zu sagen „Ich hab’s geschafft“. Am Gaumen bringt der später als die „Klassik“ gelesene Rieden-Wein saftige Tropenfrucht, vor allem Mango, mit. Trotz der weiteren Anklänge, die an Türkischen Honig mit ihrem verführerischen Honig-Ton erinnern, klingt auch dieser Rote Veltliner mit einem süß-sauren Spiel aus. Es ist der untypischste Wein für den Stil des Hauses, aber jener der dem üppigeren Stil, der für Wagramer Lagen-Weine eine kleine Fan-Gemeinde sprossen ließ, am ehesten entspricht.
Denn die Tropenfrüchte werden selten bei den übrigen Weinen der Vertikale. Selbst im gleichen Jahrgang, beim Ortswein „Neudegg“, sieht die Sache anders aus. Der 2017er riecht nach Quittenkäse und kühlen gelben Früchten wie Karambole oder Kaktusfeige. Vollmundig und saftig fällt er trotz des herb-kühlen Duftbilds aus; Orangensaft und Zwiebelmarmelade, ein Touch Hawaii-Ananas dann doch, aber weit hinten am Gaumen, notieren wird. Der unfiltrierte „Neudegg“ mit seinem gelbfruchtig unterlegten Säurespiel vermag die Runde zu begeistern. Irgendwie hat er etwas von einem Smoothie mit sanftem Alkohol.
Gemüse-Steigerl statt Obst-Salat
Dass dieser Eindruck nicht täuscht, zeigt der 2014er „Riesmein“, der quasi der Vorgänger des „Neudegg“ (die Rieden-Bezeichnung wurde zugunsten des Ortsnamen aufgelöst) war. Das kühle Jahr hat den Roten Veltliner karger gemacht, aber auch das Profil geschärft. Ringlotten und Stern-Frucht sind im kühlen Duft da, Quitte und getrocknete Mango verlängern diesen frucht-satten, aber schlanken Charakter. Karotte, Nektarine und Gelbe Paprika findet man eher selten Seite an Seite in einer Kostnotiz, doch den von jedem Frucht-Kitsch befreiten Wein trifft die Beschreibung mit Gemüsen anstatt Früchten gut.
Obacht beim Lesen: Denn nicht, dass er „gemüsig“ wäre! Aber die Saftigkeit hier ist eine jenseits von normalen Früchte. Im Fortgang des Abends wird sich oft „Orangen-Fruchtfleisch“ als Beschreibung finden. Und dieser mehr Strukturen, als konkrete Geschmäcker ansprechende Vergleich trifft auf einige der Weine zu. Ihre Säure trägt sie lange, aber stets in Begleitung eines intensiven, tiefgründigen, wenn auch nie ganz zu benennenden Charakters der Frucht.
Selbst der 2001er könnte heute noch aufgetragen werden, etwa wenn „Gebackene Mäuse“ als Dessert serviert werden. Kokostöne und ein gewissenes „Altl“ im Duft bereitet nämlich nicht auf die immer noch vorhandene Säure und – einmal mehr – den saftigen Orangen-Ton vor. Gepaart mit Nektarine, findet er sich auch beim Jahrgang 2000 vom Neudeggerhof, einer der schönsten Überraschungen. Melisse, Salz-Zitronen und Wermutkraut bringen ein noch jugendlich wirkendes Duftbild, das Mundgefühl ist „juicy“ und insgesamt hat der Rote Veltliner auch fast zwei Jahrzehnte nach seiner Ernte noch einen tollen Zug.
Bezugsquelle:
Neudeggerhof Mehofer, Roter Veltliner „Wadenthal“ 2017 kostet ab Hof EUR 23, der Rote Veltliner „Neudegg“ 2017 EUR 13, www.mehofer.at