Es ist Poesie. „Grüner Kristall im Vulkangestein vereint Rebe und Eiche im Wein“. Auf jeder Flasche „Olivin“ ist dieser Satz zu lesen. Doch er trägt gleichzeitig die Geschichte hinter diesem seit 1988 produzierten Zweigelt in sich. Denn der Halbedelstein Olivin hat eines seiner raren Vorkommen am Kapfensteiner Kogel. Hier wächst aber nicht nur der Großteil der Trauben für den Wein, sondern auch die Eichen, aus denen die Fässer des „Olivin“ gefertigt werden. „Seit 1991 ist es ausschließlich eigenes Holz“, so Georg Winkler-Hermaden, der diese Tradition begründet hat.
Zwar gab es Vorläufer in Sachen Rotwein, namentlich den „Roten Ritter“, am Weingut, doch die Anregung für mehr Qualität abseits des Weißweins stammte von seiner Frau Margot. „Ich sage immer, er ist wie ein fünftes Kind“, klang es entsprechend emotional, als eine neue Version des „Olivin“ vorgestellt wurde im Schlossrestaurant. Anlässlich des 30. Jahrgangs des bekanntesten steirischen Rotweins überlegte Christof Winkler-Hermaden als Betriebsleiter mit seinem Vater, eine Selektion der besten Fässer durchzuführen. Und weitere Jahre reifen zu lassen. Denn die gute Lagerfähigkeit war aus Vertikalverkostungen bekannt, nun gewährte man dem 2017er insgesamt 60 Monate im Kapfensteiner Eichenfass.
Die „Olivin Reserve“ wurde mit einem spannender Dreier-Flight präsentiert. Am Beginn stand der Jahrgang selbst, also der „Olivin“ 2017. Er zeigt mit Cranberry und Weichsel dunkle, aber immer rote, Frucht-Noten im Duft. Etwas Leder gesellt sich noch dazu, aber auch vKräuter. Liebstöckel und Lorbeer, dazu etwas Eukalyptus werden sogar immer stärker, je mehr Ruhe man dem Glas gewährt. Am Gaumen ist es zunächst die Säure, die für einen frischen Eindruck von diesem Zweigelt aus dem Vulkanland sorgt. Geschmacklich findet sich pure Weichsel im Mund wieder, zarter ausgeprägt sind Schokolade und Marzipananflüge. Der Gerbstoff setzt spät ein und wirkt schon gut abgeschliffen. Im Rückaroma tauchen dann wieder die Kräuter mit einem herben Nachklang auf.
Diese bereits wunderbare Basis wird bei der Reserve von Winkler-Hermaden zu einem interessanten, da völlig gegen die Intuition gestalteten, Eindruck. Denn auch nach fünf Jahren Fassreife zeigt sich keinerlei Holzgeschmack. Im Gegenteil! Im Duft herrscht ein faszinierendes Spiel aus paprizierten Noten und Erdbeerfrucht. Doch das ist erst der Anfang, denn immer mehr entwickelt sich dieser 2017er in Richtung von Heidelbeere und Schwarzer Johannisbeere. Der einzige Hinweis auf Eichenholz ist eine dezente Vanille-Tönung. Doch auch sie verklingt schnell; mit mehr Luft ist dann eher Nougatschokolade zu riechen. Das Mundgefühl hat eine ähnliche Überraschung zu bieten, denn nachgerade seidig kleidet der „Olivin Reserve“ den Gaumen aus. Die roten Früchte wirken wärmend und erinnern vor allem an Granatapfel und reife Himbeeren. Bemerkenswert präsent ist auch hier die Säure des Rotweins – sie setzt spät ein und sorgt zusammen mit dem praktisch komplett weggeschliffenen Tannin für das Finish. Das fällt animierend aus, vor allem aber zeigt es ebenfalls keinen Anflug von Holz.
Wir sprechen also von hoher Zugänglichkeit, wobei in diesem Glas vor allem die würzigen Noten von Paprika und Cassis sich weit weg vom Mainstream eines Zweigelt bewegen. Interessanter Weise konnte auch Christof Winkler-Hermaden keine monokausale Begründung für diesen so ungewöhnlichen Ton geben. Unsere Privat-Theorie, dass die dunkle Würze vom Anteil an Trauben aus Klöch käme, wo einige Weißweine ähnliche Note zeigen, schloss er aber aus. Mit rund einem Prozent Anteil an den 1.200 Litern des neuen Weines ist diese Menge schlicht zu gering. Der „Olivin“ bewahrt also sein poetisch-geheimnisvolles Wesen.
Doch es gab noch ein zweites Glas der Reserve. Bewusst wurde dieses aus einer Karaffe ausgeschenkt, in der dem Rotwein zwei Stunden mehr Zeit gegeben wurde. Für uns ging das eindeutig auf Kosten der spannenden Nase: Dunkelfruchtiger und verhaltener war der „Olivin Reserve“ in diesem Fall. Im Geschmack veränderte sich der Wein ebenfalls; viel zugänglicher fiel die Frucht aus, die nun fast schon blumige Noten von roten Beeren aufwies. Eine gewisse Fruchtsüße ließ fast an italienische Rotweine denken. Den meisten Anwesenden bei der Premiere des „Olivin“ gefiel dieses Glas noch besser. Persönlich allerdings fanden wir gerade die würzigen Kanten so attraktiv. Und schließlich ist der Wein ja auch nach einem Gestein benannt!
Doch ungeachtet dieser Finessen für Profis: Mit Winkler-Hermadens „Olivin Reserve“ hat die Steiermark zweifellos ein neues Aushängeschild in Rot. Und Österreich einen neuen Top-Zweigelt.
Bezugsquellen:
Weingut Winkler-Hermaden, Zweigelt „Olivin“ 2019 kostet EUR 22, die neue „Olivin Reserve“ 2017 ist um EUR 33 erhältlich, beide ab Hof bzw. im Webshop, https://winkler-hermaden.at