515 Jahre Brau-Erfahrung könnten ein Mühlstein der Tradition sein, doch im Zillertal blickt man lieber nach vorne. Und so entstehen in Tirols ältester Brauerei seit drei Jahren Spezialbiere, „Bei dieser Linie geht’s darum, Bier als Speisenbegleiter zu etablieren“, zieht Martin Lechner einer Trennlinie zu den Durstlöschern in seinem Sortiment. Auch farblich heben sich die Großflaschen der Jahrgangsbiere, die neben den bekannten Gauder-Bock-Spezialitäten gebraut werden, ab. Heuer wurde es ein Etikett in der Modefarbe Marsala, die „515 Grande Reserve Barrique“ verweist aber auch auf das Gründungsjahr 1500.
Technisch ging man dabei vor wie die besten Blender der Weinwelt, eine Cuvée aus zwei Basisbieren, die beide eine Fassreifung hinter sich haben, gibt dem „515“ den Charakter: Ein „Imperial Gauder Bock“, der zudem in einem Rum-Barrique veredelt wurde, und der „Gauder Steinbock naturtrüb“, den Braumeister Peter Kaufmann zusätzlich im Tequila-Fass und im Single Malt-Barrique lagerte.
Der Alkoholgehalt von 10,1 Volumsprozent und die Kombination von ober- und untergäriger Hefe geben die nötige Kraft für die kombinierte Fasslagerung, die eine ungewöhnliche und vor allem lang anhaltende Aromenkraft ergibt: Mandarine trifft Laugengebäck – so eigenwillig lässt sich der Duft des „515“ an. Zumindest, wenn man zu den ungeduldigen gehört. Denn „Grande Reserve“ steht nicht zufällig da. Wie große Weine öffnet sich auch dieses Bier mit etwas mehr Sauerstoff-Kontakt deutlich. Dann dreht der Duft in Richtung karamelliger Noten, Brioche wie beim Allerheiligen-Striezel und eine „Stollwerck“-Reminiszenz notieren wir. Auch als „traubig“, genauer: an einen roten Traubenmost angelehnt, hat ein Mit-Trinker bezeichnet, was da aus der 0,75 Liter-Flasche ins Glas rinnt.
Die große Frage bei der recht neuen Kategorie fass-gereifter Handwerksbiere besteht ja immer darin, was das Holz zum Aroma beiträgt. In diesem Fall kommt das Tequila-Fass in einer zarten säurig-rauchigen Note im Abgang durch, während die alkoholische Süße des Rums bereits am mittleren Gaumen ordentlich Druck macht. Wie ein Kirsch-Rum, so beschrieb es ein Verkoster, sei das Trinkerlebnis des malz-süßen Zillertaler Bieres. Die beachtliche Kohlensäure verhindert aber, dass es eine breite Angelegenheit wird. Mit mehr Luft, die auch dem Geschmack zuträglich ist, verwandelt sich das Ganze in eine aromatische Crema, die an Orangen-Desserts erinnert. Zufällig hatten wir einen einjährigen Cheddar zur Grande Reserve – und der passte ideal. Cremig-würzige Kombinationen mit einer gewissen Intensität sind hier sicher als Speisen-Pairings zu empfehlen. Doch auch als Solist, in entspannter Lage, ist das „515“ eine feine Sache – und wird es auch noch locker bleiben.
Denn das Ablaufdatum 2020 darf man getrost als Tiroler Über-Vorsicht betrachten. Denn schon der normale Gauder-Bock hält sich über Jahre, wie die letztens im Tirolerhof, einer Art Genussbotschaft der Brauerei (und der Steak-Hochburg des Zillertals!), geöffnete vier Jahre alte Flasche zeigte. Da setzt die Jahrgangscuvée locker noch ein Jahrzehnt drauf!
Bezugsquelle:
Zillertal Bier, „515 Grande Reserve“ ist direkt bei der Brauerei um EUR 16,70 (0,75 Liter) erhältlich, www.zillertal-bier.at