Es war eine schwere Geburt, damals vor 15 Jahren. Endlich hatte man das rechtliche Regelwerk durch, die Winzer zogen an einem Strang und dann „waren die Menschen so sprechfaul“, erinnert sich der emeritierte Weinbau-Präsident Josef Pleil an die Anfänge des DAC-Systems im Weinviertel. Sprechfaul? „Alle, auch die Gastronomen, sagten nicht „Weinviertel“, sondern „DAC““. Kein guter Start also, wenn die Region weggelassen wird, man mit dem Districtus Austria Controllatus (DAC) aber eine Herkunftsbezeichnung schaffen wollte. Doch die Sprech-Faulheit wich offenbar den Lobeshymnen. Sommeliers empfehlen den Veltliner aus Niederösterreichs Nordosten gerne, Konsumenten nennen das Weinviertel an dritter Stelle, wenn man sie Weinregionen aufzählen läßt. Nicht schlecht für die einstige Massenproduktionsecke („Brünnerstrassler“, sagen wir nur).
Mittlerweile gingen 15 Jahre ins Land und der neue Obmann der DAC-Region, Hans Setzer, will nun auch die Kategorie der Weinviertel DAC Reserven stärker promoten. Blindverkostungen sollen zeigen, dass man sich mit berühmteren Gegenden „auf Augenhöhe befindet“, wie es Setzer anlässlich seiner Antrittsrede formulierte. Der eigene Kostschwerpunkt im Rahmen der Jahrgangspräsentation ermöglichte auch einen guten Überblick, was sich bei den „kräftigeren“ Veltlinern getan hat. Drei junge Winzer, zwei davon auch formell Mitglied der Jungen Wilden, fielen uns im Rundgang besonders auf – auch weil sie die Bandbreite einer Sorte zeigten.
Der älteste Wein, eine 2013er Reserve, stammte von Leo Uibel aus Ziersdorf (re. im Bild) und stellte gleich einmal die Antithese zum leicht trinkbaren Weißen vom Planet Veltliner vulgo Weinviertel dar. Extreme Selektion bei alten Rebstöcken (56 Jahre besteht die Anlage in Ziersdorf) lassen am Ende nur acht Trauben pro Stock über, so Uibel. Der mit 13,5% Alkohol kräftige „Hundsberg“ bringt einen intensiven Duft nach Bienenwachskerzen, Papaya und reifen Pfirsichen mit. „Viel Schmalz“, vermutet man angesichts dieses lange auf der Hefe gelagerten Weins. Doch es kommt anders.
Zwar ist Uibels 2013er Reserve kein Leichtgewicht, er bringt aber bei allem Extrakt auch feingliedrige Noten mit. Man sieht die Adern unterm angespannten Bizeps. Denn zur saftigen Tropenfrucht (für uns wieder die rote Variante, also Papaya statt Mango) gesellt sich auch die Würze roter Paprikas. Sie bildet im Finish dann das Gegengewicht zur saftig-cremigen Art, die Säure trägt immer noch etwas dazu bei, mit der pikanten Note ein Widerstandsnest gegen die Opulenz aufzubauen. Balance und aktuell schöne Trinkbarkeit zeichnen diesen – in Restmengen sogar noch als Magnum erhältlichen – Veltliner aus.
Kekse vom Käferberg: Heinischs janus-köpfige Reserve
Der bekennende Burgund-Fan Rudi Heinisch (links zu sehen) wiederum setzt ähnlich wie Uibel auf lange Hefelagerung, „ein halbes Jahr lagerte er auf der Feinhefe und dann wurde auch der Schwefel minimal eingesetzt“. Die Frucht zu erhalten und ihm doch auch Schmelz mitzugeben, lautet hier die Herausforderung. Heinischs Weinviertel DAC Reserve „Käferberg“ 2015 stammt von 45 Jahre alten Rebstöcken, die auf tiefgründigem Löss-Boden wachsen. Ein gewisse Butterkeks-Note kommt im Duft durch, zu der leichten Honignase gesellen sich aber auch deutlich frischere Töne: Apfel und Limette.
Diese Doppelköpfigkeit zeichnet den Käferberg 2015 auch am Gaumen aus. Saftig und mit einem deutlichen Melonen-Touch legt sich der Veltliner nicht auf reine Fruchtigkeit fest. Denn da ist auch noch das bremselnd-lebendige Finale. Natürlich sind das die Noten der Jugend. Was sich mit dem Alter abschleifen wird, macht jetzt aber als Studie schon Spaß. Denn der Kontrast zwischen jugendlichem Übermut und cremig-kräftigem Kern zeigt sich bereits jetzt. Und schließlich ist es nicht verboten, auch Reserven jung zu trinken.
Hase am Etikett, Stein im Wein: Großes von Herrn Klein
Dass Veltliner Reserve nicht immer tropenfruchtiges „Schmalz“ bedeuten muss, zeigte dann Julius Klein, der mit seinem auffälligen Auftritt (buntes Blumen-Gilet, Hosenträger) neugierig auf die Weine aus Pernersdorf machte. Den knackigen Typus, der der junge Winzer auf den Präsentationstisch stellte, könnte man auch als GV für Riesling-Trinker bezeichnen. Er stammt wenig überraschend von einer steinigen Lage, denn die Riede heißt schon Steinberg. Den Boden merkt bei der Reserve mit dem Haserl am Etikett schon im Duft. In die Alpenkräuter-Mischung und den Steinobst-Korb hat sich quasi auch ein ordentlicher Felsbrocken verirrt. Der 2015er Veltliner hebt mit einer saftigen Note an, wieder Pfirsich als falsche Spur in Richtung Riesling, dazu auch Papaya, schmeckt man. Auf dieser saftigen Basis setzt dann die Mineralik ein, die sich mit einem Crescendo bis ins Rückaroma steigert. Da ist es dann tatsächlich ein salziger Ton, den der Steinberg 2015 anschlägt.
Klein ist der Weingutsname, groß dieser Wein – und eine Entdeckung für uns. Generell zeigt dieses Trio aber bei allen Stilunterschieden (Gott sei Dank!) die Linie der neuen Weinviertel-Generation. Und die hat – Achtung, Wortwitz! – offensichtlich noch einige Reserven.
Bezugsquelle:
Leopold Uibel, Grüner Veltliner Weinviertel DAC Reserve „Hundsberg“ 2013 ist um EUR 24 beim Weinhandel „Punkt 404“ erhältlich und zwar via Mail an office@punkt404.at
Rudi Heinisch, Grüner Veltliner Weinviertel DAC Reserve „Käferberg“ 2015 ist um EUR 16,80 ab Hof erhältlich, www.weingut-heinisch.at
Julius Klein, Grüner Veltliner Weinviertel DAC Reserve „Ried Steinberg“ 2015 ist um EUR 15 ab Hof erhältlich, www.weingut-klein.at