Ja, alle machen jetzt Gin. Spannend aber wird es, wenn sich Fruchtbrenner den Neutralalkohol und seine aromagebenden Stoffe, die Botanicals, zur Brust nehmen. Denn statt ein Aroma aus dem Obst vollendet in die Flasche zu bringen, zählt hier die Kombinatorik. Und natürlich will keiner ein Produkt, das lediglich „more of the same“ darstellt. Doch so dehnbar ist das Gin-Rezept dann auch wieder nicht, zumal das Gesetz erkennbaren Wacholder vorschreibt. Und pudrig-süße Varianten haben unter den klassischen Gin-Trinkern, die gern auch mal das Tonic weglassen, keinen guten Ruf.
Es war Zufall, dass plötzlich drei Flaschen am Gartentisch standen, die allesamt von bekannten Brennern aus Österreich stammten (auch wenn einer nun in der Schweiz destilliert). Mit ein paar Flaschen Tonic wurden dann eine sonnenbeschienene Versuchsanordnung daraus – wie legen sie den Gin an, die Obstbrenner? Den originellsten Ansatz am Etikett wählte jedenfalls Rudolf M. Schwarzer. Der Lienzer, dessen Beerenbrände und Liköre (sein „Granten“, mit Sekt aufgegossen, ist einer der besten Sommer-Aperitifs!) ihn bekannt machten, war ratlos. Wie soll der erste Gin des Osttiroler Hauses heissen? Und so steht jetzt „Tschin ohne Namen“ auf der markanten kantigen Halb-Liter-Flasche. Der Inhalt hingegen entzieht sich nicht der Beschreibung, hier hat Schwarzer einen „alpinen“ Ansatz gewählt, der ein wenig an Jacopo Polis „Marconi“ (Kostnotizen hier zu finden!) erinnert. Doch die waldig-moosige Note ist nicht alles beim Lienz-Gin: Vielschichtigen Eindrücken in der Nase (Malve, Wacholder, dann wieder rote Noten, nämlich Hibiskus) folgt ein kräftiger Erstkontakt. Denn der 45%-ige Gin bringt neben dem höheren Alkohol (gut im Gin Tonic!) auch viel Würze mit. Klassisch, mit herben Noten, empfiehlt sich ein zitrus-lastiges Tonic als Mixer. Wir nahmen Fentiman’s und waren hoch zufrieden mit der Kombi.
Eine klare Ansage steht auch hinter dem dritten „internationalen“ Brand David Gölles (nach „Wodka Wanessa“ und dem Whiskey „Brexit“). Der Steirer hat einfach genug Gin verkostet, bei denen er „von den häufig mehr als dreißig Bestandteilen nur eine Handvoll wahrgenommen habe“. Also ging er es selbst mit dem Wacholder an und beschränkte die Zahl der Zutaten auf fünf. Diese Botanicals geben auch den Namen „Hands on“ und die Optik eines Handabdrucks (hat was von Fingerfarben aus dem Kindergarten, wenngleich wir nicht mit Gold rumpatschen durften).
Aromatisch denkt man zuerst an Brombeere, ehe dann der klare und würzige Wacholder-Duft einsetzt; Gölles verwendet zerkleinerten frischen Wacholder, der auch eine gewisse Pfeffrigkeit einbringt. Sie prägt – bei einem letztlich weichen Mundgefühl und einer fruchtigen Orangen-Note – auch das Finish. Da schmeckt man dann grünen Pfeffer und einen Hauch Lorbeer. Ein entsprechend fruchtiges Tonic kann der herb-pfeffrige Fünf-Botanical-Gin daher schon vertragen.
Morris Gin: Die „Erdbeer-Diebe“ lassen Würze über
Klassisch legte es der aus der Vorarlberger „Privatbrennerei Gebhard Hämmerle“ bekannte Peter Angel an, der mit seinem neuen Brenn-Label in der Schweiz aktiv ist. „Wild Alps“, so seine Verbindung zwischen alpiner Brennkunst, Abenteuer und Alchemie, hat neben Rum und Wodka auch einen Gin im Angebot – und der wurde soeben zum besten Schweizer Gin des Jahres gewählt. Zu Recht, kann man das Verkostungsergebnis vorwegnehmen.
Denn der nach dem Jugendstil-Designer William Morris benannte Brand spricht aromatisch viele Seiten an. „Himbeere trifft Pfeffer“ läßt sich über den „Morris“ sagen, der (wohl kein Zufall!) das berühmte Teppichmotiv „Erdbeerdiebe“ auf eine grüne Flasche bringt. Es ist ein Gin, der immer wieder Neues entdecken läßt: Anfangs dominiert die grüne Frische, die an Eukalyptus, Gurke und Kampfer erinnert, dann kommt die dosierte Kraft seiner 47% Alkohol. Sie balanciert vielschichtig zwischen Pfeffer, Rosen und Kräuternoten – offenbar das alpine „Erbteil“ – und gibt keiner den Vorzug. Auch im Longdrink kam diese Komplexität durch. Mal blitze die herbe Seite, britisch „crisp“, auf, dann wieder der würzige Ton. An der stilistischen Auswahl mangelt es diesen Sommer jedenfalls nicht. Zwischen Steiermark und der Schweiz wird jeder fünfig, der Abwechslung im Gin Tonic sucht. Cheerio!
Bezugsquellen:
Schwarzer Brennerei, Tschin ohne Namen kostet 24,90 (0,5 Liter-Flasche) im Weisshaus-Shop, www.weisshaus.at
Gölles, „Hands on“ Gin ist um EUR 34,90 (0,7 Liter-Flasche) im Gölles-Shop erhältlich, htttps://shop.goelles.at
Wild Alps, „William Morris“-Gin ist um EUR 48 im Webshop zu haben, www.wildalps.com